Irgendwo in den Weiten des Internet bin ich neulich über eine Frage gestolpert, und die ging in etwa so: Was wäre anders, wenn (mehr) Frauen an der Macht wären?

Wenn solche Fragen in der Luft rumhängen, ist auch meist die Standard-Antwort nicht weit, als da wäre, dass sich gar nichts ändern würde, an welchem Punkte mit Vehemenz und vermutlich viel innerlicher Schadenfreude auf die Maggie Thatchers, die Ursula von der Leyens und die Merkels dieser Erde verwiesen wird, und darauf, dass die immerhin nicht nur nicht besser, sondern hin und wieder und fallweise sogar schlechter seien als (die) Männer.

Dem ist, leider, nicht viel entgegen zu setzen, bzw. wäre eine Diskussion dazu vermutlich ebenso sinn- wie endlos. Grundsätzlich und vorausschickend muss aber gesagt sein dürfen: Es ist hanebüchenster Unsinn, zu verlangen, dass Frauen besser zu sein, oder die Dinge besser zu machen hätten, als Männer das tun. Die Wahrheit ist vielmehr nur eine, und die heißt: Frauen haben die gleichen (!) Rechte, und also selbstverständlich auch das Recht, Dinge gegebenenfalls und eventuell gleich schlecht zu machen, wie Männer das tun. Das Recht auf Gleichstellung, Gleichbehandlung, Gleichberechtigung der Frauen hat natürlich bedingungslos zu sein, und jedenfalls nicht an irgendwelche Konditionen und/oder (männliche!) Qualitäts- oder andere Kriterien gebunden zu werden.

Das wär ja noch schöner.

Einen Punkt aber möchte ich heute und bei dieser Gelegenheit gern ein bisschen besser ausleuchten, weil er nämlich kaum je Beachtung findet, und schon gar nicht die, die ihm m. E. unbedingt zustehen würde. Das muss nichts heißen, schon klar, und natürlich kann es sein, dass, was ich beobachtet habe, nichts als subjektives Erleben ist, aufgrund meiner Lebens- und persönlichen Realität. Es gibt aber ja eh nichts oder nur sehr wenig, was für alle gleichermaßen Gültigkeit hätte.

Der Kern dieses Punktes, den ich meine, ist dort, wo geschrieben steht, „Männer“ (natürlich nicht alle Männer; niemand muss sich hier ge- oder betroffen fühlen, wenn er nicht mag) dächten und agierten zielgerichtet, punktgenau, strategisch kerzengerade. Diese so genannte „zielgerichtete Geradlinigkeit“ wird – vermutlich aus einer altüberlieferten, gefühlten, männlichen Überlegenheit heraus – gern als „der beste“ Weg zum Ziele gehandelt und unter die Menschheit gestreut. Alles, was anders ist, ist falsch, oder zumindest nicht das Beste, und besser schon gar nicht.

Ob diese Behauptung aber auch den Tatsachen entspricht, wird kaum je in Frage gestellt, von Männern nicht (natürlich nicht!), von Frauen aber auch nicht. Das nun finde ich besonders schade, wenn also Frauen diese männliche(n) Methoden und deren Art und Weisen völlig unkritisch übernehmen, für sich selbst anwenden und sie also letztlich selbst als eine Art „masterway“ anerkennen.

Wenn nämlich nur ein paar der Figuren ausgetauscht werden, das Spiel aber, und dessen Regeln, dieselben bleiben – wie soll sich dann etwas verändern?

Soviel zum einen. Zum anderen aber denke ich nicht, dass dieser (angeblich) „männliche“ auch tatsächlich der Meisterweg ist. Nicht immer jedenfalls, und schon gar nicht in jedem Fall. (Da sollte mehr differenziert werden…) Noch vor ein paar Jahrhunderten, auch Jahrzehnten, mag diese männlich-schnurgerade, auch „rational“ genannte Denk- und Vorgangsweise eine gute, nützliche und zielführende gewesen sein, als die Welt noch kerzengerade funktionierte, in maximal zwei Kolonnen, hier Haben, dort Sein, derweil alles, was komplex/er war, sich in Frauenkörpern versteckte, und in mehr oder minder großen Haushalten, und beides kaum je nach draußen gelangte, aber in den inneren Bereich eines männlichen Horizontes schon gar nicht.

Das aber ist vorbei, ist Schnee von gestern, und die Welt schon längst eine ganz und gar andere: sie ist komplex, sie ist unübersichtlich, sie ist hochkompliziert – also nicht mehr wirklich geeignet für Männer, für diese Kategorie Männer, die schnellen Geradeaus-Denker, sozusagen.

An dieser Stelle muss festgehalten werden: Es handelt sich bei den Protagonisten dieser meiner persönlichen Feldstudie in der weit überwiegenden Mehrheit um so genannte „Entscheidungsträger“, und mithin Männer mit einer gewissen Macht und entsprechendem Selbstverständnis, um Männer jedenfalls, die unsere Welt und Gesellschaft maßgeblich wenn nicht hauptsächlich „gestalten“, aber zweifelsohne prägen, nämlich um die „Köpfe“ in den Anzügen aus Wirtschaft und Recht. Manchmal denke ich, die Welt wäre eine bessere, wenn es keine Anzüge gäbe. Es ist aber übrigens keineswegs auszuschließen,  dass dieser Anspruch der „geradlinigen, rationalen, streng zielorientierten“ und mithin raschen, aber jedenfalls einzig richtigen Art der Entscheidungsfindung erst in diesen Kreisen maßgeblich geprägt wurde, im Sinne eines (Macht-)Anspruches und dessen Erhalt. Denn sie, und eigentlich nur sie, können sich das leisten: remember? Jackson Katz?

„(…) es ist eines der Hauptmerkmale von Macht und Privilegien: Ungeprüft weiter gehen zu können.“

Denn so schaut nämlich niemand zu genau hin, in gewissen Bereichen, ab gewissen Ebenen, und zwar aus zweierlei (vermeintlich guten) Gründen: zum einen aus dem eben erwähnten, zum anderen, weil ja umfassend und auf breitester Ebene abgeklärt ist, dass diese Herren der Schöpfung – und nur sie – alles richtig machen, und in diesem Sinne die besten Mittel, „Waffen“ und Wege kennen, und sie auch zu nutzen wissen.

Das ist praktisch. Denn so wird kaum je hinterfragt, was denn dort nun tatsächlich und wie geleistet wird, und genauso wenig werden die Ergebnisse dieser „Leistungen“ hinterfragt. Anderenfalls wohl sehr bald erkannt würde, dass die Arbeitsweise auffallend vieler dieser Macht- und Entscheidungsträger sehr viel weniger „rational“, sondern schlicht und ergreifend oberflächlich ist, gern und ebenso ungestört garniert mit einer ordentlichen Portion Selbstgefälligkeit.

Das kann nicht gut gehen, und tut es auch nicht (die Welt steht am Abgrund, und ich weiß, warum).

Diesem – mächtigen – Problem ist nicht ohne weiteres beizukommen; wie auch? Die Protagonisten selbst sind so sehr überzeugt von sich, ihrem Tun und ihrer Überlegenheit, dass keine siebzig Welten sie in diesem Glauben erschüttern könnten, nicht einmal davon, dass, mindestens, ein paar korrigierende Eingriffe nötig wären; die anderen, die in ihrem Dunstkreis, werden sich hüten, auch aus gleich mehreren „guten“ Gründen. Denn für sie alle steht ziemlich viel auf dem Spiel (wir anderen wissen wahrscheinlich nur ansatzweise, was alles…). Da ist es, doch, ja, schon verständlich, dass sie mauern, und alles blockieren, was ihren Stand und mithin ihre Welt gefährden, wenn nicht gar umstürzen würde: Dieses „alles“ sind, eh klar, in erster Linie und naturgemäß: Frauen.

Frauen, die genauer hinschauen, mit dem ihnen eigenen weiteren Blick auf die Dinge und das große Ganze, mit ihrer Freude am Detail, ihrer Sorgfalt und Umsicht, und ja, nicht zuletzt, ihrer „emotionalen“, und also insgesamt einer doch grundlegend anderen Art. (Ich wollte übrigens schon längst mal fragen, was denn letztlich dem Fortschritt und der Bewegung der Menschheit zugrunde lag: War das Ratio? Oder doch eher Emotio? Ich glaube, am Anfang stand Emotio, und dann erst kam Ratio. Wir könnten also gut und gerne damit aufhören, die Emotion als a) typisch weiblich (ha!) und b) unnütz abzuwerten. Sie ist nämlich der Motor aller Dinge.)

Und so lange also diese schillernde Blase anzugtragender Macht-Männer von niemandem gestört wird, so lange kann und wird, völlig ungestört, munter weiter laboriert, an der Zerstörung der Welt, der kleinen und der großen, mit dem streng männlichen „Tunnelblick“ und im „guten“ Glauben, nach dem beliebten, gleichwohl zerstörerischen, aber jedenfalls gut etablierten Motto: Was letztlich zählt, ist (nur!) „das Ergebnis“, und zwar jenes ganz unten, unter dem Strich auf der eigenen Seite der beiden Zahlenkolonnen. Darauf, und nur darauf, wird „schnurstracks und kerzengerade“ zu gearbeitet, ohne Rücksicht auf Verluste (die der anderen, jedenfalls). Was links oder rechts der eigenen Rennbahn vor sich geht, ist völlig unerheblich, ebenso wie’s die Leichen sind, die auf dem Weg zum Ziel gefleddert werden.

(Einer der Kollateralschäden in diesem „System“ ist übrigens eine gewisse „Inzucht“, eine Bewegungslosigkeit, deren Folgen ebenfalls, überall und allgemein ganz leicht besichtigt und begutachtet werden können.)

Ah ja, noch was, das in diesem Zusammenhang auch nicht zu unterschätzen ist, und zwar für Frauen und jene anderen, nicht Anzug-tragenden Männer, die mit dem Veränderungspotential: Ich glaube, es ist schwer bis unmöglich, das Unnormale dessen zu erkennen, was wir als „normal“ gewohnt sind.

So. Womit, denke ich, fürs Erste geklärt wäre, was anders wäre, wenn Frauen an der Macht wären. Das müssten dann aber schon viele Frauen sein, und sie müssten viel Macht haben, und jedenfalls genug, sich, ihre Art, ihre Sicht der Dinge und ihre Herangehensweise an diese durchzusetzen. Und sei es gegen den Willen der (derzeit) Mächtigen.

Sonst wird sich nie was ändern.

(Auch deshalb finde ich übrigens, nach wie vor und trotz allem, eine deftige Frauenquote unabdingbar. Ich denke, die geforderte Qualität – im Sinne der Frage, was anders wäre – ist in der „Frauenfrage“ eine ebenso direkte wie zwingende Folge von Quantität, auch weil vermutlich erst „Quantität“ jenes umfassende, kollektive Selbstverständnis und Selbstvertrauen bewirken und mithin es Frauen erleichtern würde, in den traditionellen männlichen Bereichen nicht mehr, immer noch und trotz allem, nach dem männlichen Vorbild zu schielen und es den so genannten und selbsternannten „Entscheidungsträgern“ zu ermöglichen, immer weiter „ungeprüft weiter zu gehen“.)

Und hier, im Kontext, im allgemeinen aber nicht nur, eine grandiose Sybille Berg,  gestern bei SPON.

Von Banken und Innovationswilligen

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