Die Nationalistin in mir

Ich schäme mich ja immer vor mir selbst – und der Welt, selbstverständlich -, wenn sie (in letzter Zeit auffallend öfter) ihren kleinen Kopf mit der engen Stirn und den kleinlichen Gedanken dahinter in die Höhe reckt, die Nationalistin in mir. Denn eigentlich wäre ich ja gern offen und aufgeschlossen, tolerant und neugierig, gastfreundlich sowieso, und jedenfalls kein bisschen nationalistisch, oder gar rassistisch, oder patriotisch, und was noch so alles dazu gehört. Wirklich hässlich, all das Zeug, ich mag’s überhaupt nicht, ganz ehrlich.

Aber doch, irgendetwas ist da, und es macht mir Sorge. Es regt sich, diese kleinliche Gefühl, zum Beispiel immer dann, wenn Gäste – vorwiegend solche aus dem norditalienischen Raum – in unseren Wäldern über unseren Beeren und Pilzen hocken, und nicht einmal aufschauen oder gar grüßen, wenn andere vorbeilaufen (sind die Beeren und Pilze in den Wäldern eigentlich Gemeingut? Und falls ja, wie weitreichend ist das „Gemein-“ im Gemeingut?); oder wenn sich eine „Dame“ bei mir darüber aufregt (!), dass die 9-Uhr-Messe nur „in tedesco“ gelesen wird (solche Gäste, finde ich, die so gar nicht an der Kultur und am Sein ihres Gastlandes interessiert sind, und überhaupt nichts darüber wissen und auch gar nichts darüber wissen wollen, sollten doch lieber zuhause bleiben, meine bescheidene Meinung). Ich würde dann wirklich gern richtig aggressiv werden, aber das gelingt mir eher selten, bei Fremden, und  bei meinen Gästen ja so gut wie gar nicht.

Oder wenn, wie neulich, auf meiner Laufstrecke ein riesiger Hund auf mich zu galoppiert, und seine Besitzerin keinerlei Anstalten macht, ihn zurück zu pfeifen (ich leide an einer Art Hunde-Phobie, im Kopf nicht steuerbar, und finde es kein bisschen putzig, wenn die „nur spielen“ wollen), und ich für die „Dame“ und ihren Hund meinen Lauf unterbreche und sie mit einem höflichen „sprechen Sie deutsch?“ anrede (Antwort: „ich BIN Deutsche“, als sei das eine Leistung, ein Gütesiegel, oder gar ein Privileg), bevor ich sie – höflich, selbstverständlich, man ist ja so erzogen -, darauf aufmerksam mache, dass hier eigentlich Leinenpflicht herrschen würde, was die „Dame“ aber keineswegs dazu veranlasst, Ihren Hund zumindest festzuhalten, sondern vielmehr dazu, ausfallend zu werden. Die meint/e wohl, unsere Regeln gelten nicht für „ich BIN Deutsche“?! Ehrlich, ich halte nichts von Gewalt, aber die hätte ich am liebsten in den naheliegenden Misthaufen gedrückt, die ich-BIN-Deutsche.

Oder wenn ich auf schmalen Wander- oder überhaupt abgelegenen Wegen und Straßen Fremden begegne, die stur wegschauen, anstatt zu grüßen, wie das hier üblich ist. Wo sind wir denn hier? Etwa bei denen zuhause? Oder wie?

Oder wenn unsere Zweitwohnungsbesitzer uns lieber ihre Regeln aufdrängen würden, statt unsere zu respektieren, und überhaupt, all die Italiener, die die Fahrbahnen in Beschlag nehmen, der ganze Clan, und die Gehsteige links liegen lassen, und die Straße nicht etwa AUF dem Zebrastreifen queren, sondern zwei Meter davor oder dahinter, sodass unsereine aus dem Stop-and-Go-Modus überhaupt nicht mehr rauskommt, wir haben ja auch wirklich nichts zu tun, nicht wahr, oder wenn die ihre Motoren laufen lassen, als seien wir immer noch im Jahre 1960, und ihre Zigarettenstummel in die Gegend streuen, und dann darüber referieren, wie schön sauber hier doch alles ist, und so gepflegt, in Alto Adige. Irgendwann mal, ich versprech’s, springe ich jemandem an die Gurgel.

Ich setze mich ja auch in niemandes Wohnzimmer und fresse die Pralinenschachtel leer, oder? Und ich finde halt, wo ich nicht zuhause bin, oder Hausherrin, da benehme ich mich vorsichtig, auch bei Freunden noch, übrigens, und schaue erst mal, wie die’s machen, die Hausherren bzw. Einheimischen.

Was ja nicht heißen muss, keineswegs, dass die Hausherren/Einheimischen immer alles richtig machen, aber ob sie etwas ändern wollen, an ihren Modi und usi, das müssen sie schon selbst entscheiden dürfen. Sollen. Jeder Besuch, und jede Anregung von draußen sind, meine bescheidene Meinung, sehr willkommen, und immer ein guter Anlass, das eigene Tun und/oder Lassen auf den Prüfstand zu stellen und zu hinterfragen. Wenn dann aber der Beschluss lautet, das es gut ist, so wie es ist, dann haben sich die „Outsiders“ den „Insiders“ doch anzupassen, finde ich.

Okay, ich stelle mich jetzt ganz still in die Ecke dort drüben und schäme mich.

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