Der Text, in dem ich nachfolgenden, denkwürdigen Satz fand, ist selbst absolut belanglos, wirklich nicht der Rede wert, aber er birgt einen bedeutsamen Satz, und der geht so:

„Natürlich bin ich Feministin“, sagte Clinton, wohingegen von der Leyen sich zurückhaltend zeigte, unsicher, ob man mit einem solchen Bekenntnis in Deutschland Wahlen gewinnen kann.“

Während also Hillary Clinton aus Amerika, das ja übrigens auch nicht gerade Fortschritts-Klassenprima ist, oder gesellschaftliche Avantgarde, ohne weiteres und frisch von der Leber weg in die Öffentlichkeit posaunen darf, dass sie „natürlich“ Feministin ist, traut sich Ursula von der Leyen aus Deutschland nicht, ein ähnliches „Bekenntnis“ abzulegen, aus Sorge um Negativ-Folgen für ihre politische Karriere.

Wenn das keine Diskriminierung ist, kein beredtes Zeugnis darüber, an welchem Punkt die Gleichstellung von Frau und Mann stehen geblieben ist.

Okay, niemand weiß, ob Frau von der Leyen auch tatsächlich Feministin ist oder nicht, aber das ist auch gar nicht wichtig: Wichtig ist, dass offenbar gesellschaftlicher „Konsens“ ist, dass eine Frau sich besser nicht als „Feministin“ outet, weil das negative Auswirkungen haben könnte, auf weibliche berufliche, politische und wohl auch gesellschaftliche Ambitionen. Das Wort „Quote“, habe ich mir sagen lassen, sei übrigens auch ein Karrierekiller, und werde besser gar nicht in den Mund genommen. Dass nicht zuletzt manche Frauen keine Feministinnen sein wollen und sich also lieber nicht zu dieser vollwertigen Seite des Frau-Seins bekennen – ich höre sie schön, die empörten Aufschreie -, aus ähnlich gelagerten Sorgen vor Konsequenzen, allerdings im privaten Bereich, macht ultra-ratlos.

Und so drehen also die Frauen, die zumal, die berufliche politische gesellschaftliche private Ambitionen haben, gehorsamst ihren Kopf zu Seite und schauen artig weg. Kein Wunder, dass die „Geschlechterdebatte immer wieder mal aufflammt“, kein Wunder, dass die Gesellschaft in der Frauenfrage nur in Trippelschritten weiterkommt, wenn überhaupt, und kein Wunder nicht zuletzt, dass der ganz große Teil der Frauen dieses perfide Spiel (gut eingefädelt, und gut dirigiert, ich muss es anerkennen) – der Männer mitspielt. Wie auch nicht: Irgendeine Ambition hat wohl jede Frau.

Bei den anderen, denen also, die keine Ambitionen haben oder die auf die Negativ-Folgen ihres Bekenntnisses zu feministischen Werten pfeifen, wird öffentlich zur Treibjagd geblasen, wird Wahn unterstellt – heutzutage heißen die Teufel „Gender“ und „Quote“ -, die dunkle Schmuddelecke ist die moderne Folterkammer und falsche Opportunismen der neue Altar, auf dem die Sache der Frauen, aller Frauen, und also die Sache der Männer, aller Männer, geopfert wird.

„Die Minderheitenideen der linken Emanzen“ (denn auf Minderheiten lässt sich’s besonders gut dreinhauen, schon klar, bei Minderheiten können sich selbst  Winzlinge überlegen fühlen) heißt es dann, brauche heute kein Mensch mehr, es sei doch alles bestens, und ob denn, heißt es weiter, „diese Feministinnen“ (ein Pfui! schwingt stets mit) nichts Besseres zu tun hätten, als sich um Belanglosigkeiten zu kümmern, derweil doch die Welt ganz andere Problem habe. Keine Schäbigkeit wird ausgelassen, kein Trick ist zu billig und jedes noch so unredliche Mittel recht, wenn es darum geht, den  Minderheitenstatus der (Pfui!) „Feministinnen“ und der (Pfuipfui!) „linken Emanzen“ zu sichern, und sie in die Schmuddel-Ecke zu drängen.

Sachlich und rational kann das alles ja gar nicht nachvollzogen werden, was besonders interessant ist, zumal ja gerade Männer so stolz sind auf (ihre) Sachlichkeit und Rationalität, und stets fordern, die andere Welt, die weibliche, solle es ihnen gleichtun. Man denke doch nur an die jüngsten Shitstorms, ich sage jetzt mal nur Gabalier, aber die deutsche Rechtschreibreform fällt mir auch ein: Wurde gegen die, die sie – welcher Aufwand! wofür? – angestoßen gefordert und herbeigeführt hatten, auch so heftig getobt und gehetzt, wie gegen die, die doch eine vergleichsweise kleine Änderung im Sprachgebrauch herbeiführen wollen? Im Sinne einer großen Mehrheit? Was ist denn schon ein Binnen-I und eine „in“-Endung – gegen die Rechtschreibreform?

Da wurde doch schon längst jegliches gesunde Maß und jeglicher Anstand verloren.

Womit wir auch schon am tatsächlichen Ort des Geschehens wären, dem Irrationalen, wo es in Wahrheit gar nicht mal so sehr gegen die Sache der Frauen geht: Die ist nur ein Alibi. Denn wer wollte, bitteschön, allen Ernstes behaupten, im Jahre 2014, Frauen hätten nicht exakt dieselbe Existenz- und überhaupt Berechtigung wie Männer, und das Binnen-I und die „in“-Endung seien eine Zumutung an die Bevölkerung und ihr ästhetisches und Sprachempfinden (sic!). Spätestens hier wird’s richtig zugig: Denn man denke doch einmal ein wenig nach, und suche, in der Geschichte, denn die wiederholt sich ja ständig, aber keiner will’s merken, nach Irrationalen und Irrationalismen. Und frage sich: Wie gehen aufgeklärte Gesellschaften mit „Minderheiten“ um – und hier beißt sich die Katze in den Schwanz – wie also gehen aufgeklärte Gesellschaften mit „Minderheiten“ um? Und wie gehen Irrationale mit „Minderheiten“ um? Hatten wir das nicht schon einmal, dieses sinnlose Dreinhauen, die völlig haltlosen nichtsdestoweniger heftigen Schuldzuweisungen, die Suche nach Sündenböckinnen? Und wo, man sage mir, wurde virtuell ausgespuckt, zu „Minderheit“ und zu „links“, wurden die zu Reiz- und Schimpfwörtern, Ungerechtigkeit und Unrecht zur Staatsräson hochgefahren?

Wenn und wo „Minderheiten“ stigmatisiert werden (sollen) – sollten nicht spätestens dann und dort sämtliche Alarmglocken schrillen?

Mag sein, ich bin paranoid, in manchen Belangen, aber doch: Wir sollten wachsam sein und Menschenverächterinnen keine Schlupflöcher bieten. Auch dann nicht, wenn sie „nur“ Frauen verachten.

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