Es ist schon faszinierend, wie „Frauenquote“ als Thema immer wieder und immer noch gut ist und jedenfalls für Audience und heftigst strittige Meinungen sorgt. Dabei ist doch die Sache so einfach: Es besteht, ganz ohne Zweifel, ein gesellschaftliches und völlig ungerechtfertigtes Ungleichgewicht zu Ungunsten der Frauen, einerseits; andererseits ist inzwischen Konsens, dass Frauen einen wichtigen und von Männern ob völlig anders gearteter Persönlichkeitsstrukturen nicht leistbaren, gesellschaftlichen Beitrag einbringen können, sollen und wollen. Es dürfte übrigens allseits bekannt und auch bis in Quotengegnerkreise durchgedrungen sein, dass diese Erkenntnis und dieses Verständnis nicht von allein aufblitzten in den Gehirnen derer, die bis dahin das Exklusivrecht auf das so genannte Sagen inne hatten, sondern dass es dafür jahrzehntelange, teils verbitterte und jedenfalls harte Kämpfe brauchte seitens der Frauen, jener zumal, die sich für die Rechte und Gleichberechtigung ihrer – netteren, weniger konflikt- und kampfbegabten, aber vielleicht auch nur gleichgültigeren – Geschlechtsgenossinnen in den Regen stellten und sich für diese Leistungen wenig mehr als Häme, Spott und sogar Verachtung einhandelten (die Früchte, da schau an, dieser Arbeit genießen heute natürlich auch jene, die sich so auffallend verbissen abgrenzen gegenüber den – wie sie’s nennen – „verbissenen“ Quoten- und Frauenrechtlerinnen). Daran hat sich scheint’s wenig geändert, auch, wenn Angelika Margesin gestern Abend nicht anerkennen wollte, dass ihre eigene und die Wahlschlappe ihrer Vorgängerinnen und Mitstreiterinnen bei SVP in erster Linie auf ihr offenes Eintreten für die Quote zurück zu führen sein könnte.
Denn Frauen wie Tamara Oberhofer von den Freiheitlichen, die sich auch im gestrigen Pro & Contra so vehement gegen die Quote aussprach und sich selbst als Beispiel nannte dafür, dass Frauen „es auch ohne Quote schaffen können“, vergessen leider gern und viel zu schnell, dass sie nicht wären, wo sie sind, ohne die ungeliebten „Quoten“-Frauen und ihre harten Kämpfe wie oben. Einerseits.
Andererseits ist unbestritten, dass manche Frauen „es auch schaffen“ können ohne Quote, das haben sie immer getan und werden es immer tun: Es gab Abenteurerinnen und Wissenschaftlerinnen, Dichterinnen und Denkerinnen, Kriegerinnen und Kaiserinnen, und sie alle erreichten ihren Ausnahme-Status in feindlichsten Umfeldern und unter widrigsten Bedingungen. Aber, wie gesagt: Es handelte sich um Ausnahmen, wie es sie immer gab und immer geben wird, und wie es natürlich auch männliche Ausnahmen immer gab und immer geben wird. Im Übrigen würde ja auch niemandem einfallen, zu sagen, jeder Mann könne es Alexander dem Großen oder Napoleon oder auch Gandhi oder, um zuhause zu bleiben, Magnago gleichtun, wenn er nur wolle und genügend Biss habe.
Womit klar sein dürfte, dass es um „Ausnahmen“ natürlich nicht geht, nicht gehen darf. Ausnahmen sind per se nicht dafür geeignet, auf die Masse angewandt zu werden, und also keinesfalls ausreichend, um eine Gesellschaft zu gestalten; Ausnahmen mögen Motivatoren sein und auch Zugpferde – was eine Gesellschaft aber letztendlich ausmacht, sind nicht sie, sondern ist: das „Fußvolk“. Insofern die „durchsetzungfähige und durchsetzungswillige Frau mit Biss“ à la Frau Oberhofer und ihresgleichen schlicht und einfach: viel zu kurz greift.
Es leuchtet also durchaus ein, dass unsere Gesellschaft selbstverständlich eine Frauenquote braucht, wenn sie sich im eingangs erwähnten Sinne verändern soll, und zwar nicht erst in sieben Generationen. Und genauso selbstverständlich ist es demzufolge dringend notwendig, dass – zum Beispiel, weil’s grad naheliegt und noch so schön frisch ist – ein Herr Kompatscher und ein Herr Theiner von SVP sich im letzten Moment und der Quote wegen die Hacken ablaufen auf der Suche nach Frauen, die Lust haben – und sei es nur ein bisschen – auf Politik, und die von selbst kaum auf die Idee gekommen wären, sich auf eine politische Liste setzen zu lassen, aus dem einfachen Grunde, dass so etwas nicht „die Norm“ ist und „normale“ Frauen auch im Traum nicht daran denken. Und wir dürfen alle, denke ich, ziemlich sicher sein, dass im Hinblick auf die nächsten Wahlen die Damen und Herren Parteimenschen ihre Augen offen und die Ohren steif und frühzeitig Ausschau halten werden nach geeigneten Kandidatinnen für ihre jeweilige Liste, und nicht, wie bisher, auf sie vergessen und darauf hoffen (warten), dass die sich schon selbst aus der Menge heben werden. Nicht zuletzt darf angenommen werden, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die eine oder andere Frau (auch) hellhörig wurde und ihre Augen offen und ihre Ohren steif halten und sich fragen wird, ob das vielleicht etwas auch für sie sein könnte, politische Arbeit, weil das zwar noch nicht ganz, aber doch schon ein bisschen „normaler“ ist. Während in der Zwischenzeit die, die’s ohne Quote geschafft haben und mit Unterstützung derer, die’s mit Quote geschafft haben, den Boden für die Neuen alleweil besser bereiten können, weil sie schon nicht mehr allein oder eine verschwindend kleine Minderheit sind.
An diesem Beispiel vom jüngsten Beinahe-Frauen-Debakel bei SVP zeigt sich übrigens sehr schön, wie die Quote wirkt und vor allem: dass sie wirkt und ihrer Aufgabe und Zielsetzung durchaus sehr gut gerecht wird. Als Instrument gleicht sie dem allseits bekannten Stein, der ins Wasser geworfen wird und dort Kreise zieht, in welchem Sinne die Forderung nach „Quote“ und diese selbst durchaus gern als störend empfunden werden dürfen, jedoch: Ohne Störung keine Veränderung und ohne Veränderung keine Erneuerung. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass sich die Quotenbefürworterinnen und also die Kämpferinnen für eine „gerechtere-Gesellschaft-sofort-und-nicht-erst-irgendwann-vielleicht“, nicht bange lassen machen von denjenigen, denen lieber wäre, alles bliebe beim Alten, und sich jetzt berechtigt und bemüßigt fühlen, mit erhobenem Finger und spöttischem Lächeln aufzutrumpfen.