Ich musste neulich zum Arzt. Das kommt zum Glück selten vor, und also will ich mich über die – in meinen ganz persönlichen Augen, wohlgemerkt – unwürdigen Zustände nicht groß beklagen. Vielleicht hat ja Recht, wer sagt, immerhin haben wir einen Dienst. Ja, immerhin. So gesehen, ist alles immer gut genug.
Ich gehe zu solchen und ähnlichen Anlässen immer ohne Lesestoff, ich lasse mein Handy und andere Ablenkungsmanöver bewusst zu Hause und gebe mich, wann immer ich kann, dem Leben und seinen Zufällen hin. Neulich in jenem tristen, düsteren, unbeleuchteten und unfreundlichen Ambulatorium, in dem immerhin ein Arzt in edlen Schuhen seinen Dienst sehr korrekt und sehr freundlich verrichtete, auch wenn ich nur Besuchs-Patientin war, sozusagen, bescherte mir das Leben zwei ältere oder, um der ganzen Wahrheit Genüge zu tun: zwei alte Männer. Die beiden unterhielten sich angeregt, unter anderem darüber, dass „(…) dei hobm heintzetog kamm ungfongen, nor solletn se ah schun fertig hobm. Koan Wunder, dass do ingaling koan Orbet mear isch. A sella Gewurschtle hots ba ins net gebm (…)“ (das ist ein interessanter Gedanke, finde ich, und in Sachen „Gewurschtle“ klatschte ich den beiden insgeheim heftigen Beifall), derweil ich meinen Gedanken nachhing, keinen besonderen, und mich darüber freute, dass sich die Reihen der Wartenden vor mir ziemlich rasch lichteten,
als sich einer der beiden Männer an mich wandte, eher indirekt, aber jedenfalls mit einem verschmitzten Lächeln in den Augen und den Worten „dei Dumplena wert woll epper in voraus innenschlepfm“. Er sagte „Dumplena“, oder „Dumpena“, oder – aus heutiger Sicht – vielleicht auch: Dumpe(r)na. Der letzte Buchstabe könnte aber auch ein „e“ gewesen sein, und überhaupt konnte ich mich gut und gerne völlig verhört haben. Aber das glaube ich nicht, nicht wirklich.
Nein, er sagte das ziemlich genau so, und es dauerte ein Weilchen, bis ich den Sinn dieses Satzes erfasst hatte, und mich rasch vor die Tür des Arztzimmers stellte, um meine Rangfolge zu sichern. Die „Dumplena“, vor deren möglichem Überholmanöver ich gewarnt worden war, war eine junge Frau, vermutlich aus Pakistan, Indien oder jedenfalls jenen Breitengraden.
Dass der Mann „schlepfm“ gesagt hatte, und nicht „schlihefn“ fand ich ziemlich interessant; was mich aber nachhaltig faszinierte, war dieses eigenwillige „Dumplena“. Ich hatte dieses oder auch nur ein ähnliches Wort nie gehört (was, zugegeben, nicht viel heißen muss). Seine Bedeutung konnte ich nur ahnen, und (kurz-)schloss einfach und direkt auf „Dunkelhäutige, Dunkle“, ohne dass ich einen Grund dafür benennen könnte. Es schien mir halt schlüssig, oder logisch. Zuhause angelangt, googelte ich heftig, nach „Dumplena“ und ähnlichen – auch ähnlich klingenden – Begriffen -. Allein: Google gab nichts her. Das kommt eher selten vor.
Auch in meinem Bekanntenkreis, dem virtuellen und dem „richtigen“, wurde ich eher verständnislos angeschaut. Dumplena? Oder so? Nie gehört, nein wirklich nicht.
Das ging mehrere Tage so, und zwar so sehr, dass ich mich überzeugte, mich verhört oder vielleicht gar geträumt zu haben. Aber dann kamen wir beim Mittagstisch noch einmal darauf zu sprechen, und aus der allerunverdächtigsten „Ecke“ kam – vielleicht, wer weiß – eine Lösung, die Lösung, ein Fingerzeig dorthin, nämlich in dieser Form: „Da gibt’s doch dieses Weihnachtslied, Es wird scho glei dumpa“.
Na ja, von „dumper“ zu „dunkel“ und weiter zu „dumplena“ (oder sehr ähnlich) für „dunkelhäutig“ war der Weg nicht mehr weit. Google spuckte zu „dumper, Etymologie“ folgendermaßen aus:
(Aus „Lateinische Sprachrelikte im bayrischen Dialekt“):
um Eichstätt nicht geläufig = dumper; (1) finster werden, es wird schon glei dumper …; (2) MaB/at: dumper = düster; finster; dumpl = dunkel; dämmrig; trüb; undeutlich; (3) Wohl eher von adumbro = beschatten, dunkel; adumbratim = nur dunkel; (4) Quelle BR 17.12.09: ‚Dumper‘ heißt in Altbayern ‚dunkel‘ und wird im Dialekt abgeleitet von ‚dämmern‘ und ‚Dämmerung‘. ‚Dämmern‘ bedeutet ja ‚dunkel werden‘. So entstand das ‚dumper‘ für ‚dunkel‘.
Bei „Bayerisches Wörterbuch“ gibt’s hingegen das hier:
Im Detail, auszugsweise: „dimper, dumper“: 2) düster, dunkel. Die Dumper, Dumperé, Dumpern, die Düsterheit, Dämmerung, (Rotter, caligo, timberi). verdumpern, verdüstern, verdunkeln, (Rotter, betimbereen). Seine von hohem Alter bereits vertumperte Augen,“
Es sieht also, in aller Bescheidenheit, so aus, als habe mein Instinkt mich in die richtige Richtung geleitet: „dumper“, aber auch „dumpl“ ist „dunkel“, und eine „Dumpe(r)na“ („Dumpl-ena) könnte sehr wohl eine „Dunkle, Dunkelhäutige“ (Person) sein.
Wenn nicht, ist’s – nein, nicht gerade egal, aber jedenfalls nicht so wichtig: Der Ausflug in die Weiten der „alten“ einheimischen Sprache war allemal interessant, und hat, einmal mehr, ein Türchen zu den eigenen Wurzeln und dem persönlichen Sein aufgeschoben.