Es geht in jüngster Zeit, in der ich-nenn-sie-mal „Südtiroler Flüchtlingsfrage“ eine kleine Polemik durch die Reihen der Helfer*innen und Helfershelfer*innen: Nichts oder jedenfalls nur sehr wenig sei, wie es sein müsse, die Äpfel gingen aus, und überhaupt: Die Provinz sei doch zuständig, und nicht die Freiwilligen bzw. die „Zivilbevölkerung“.

Ich möchte dazu einmal grundsätzlich sagen: Es ist leicht (ich weiß das), von außen reinzuschauen und zu sehen, was besser gemacht werden könnte. Die, die durchs Fenster schauen, und nur die unordentliche Stube sehen, sehen eben nur die Stube, und vielleicht gar nur einen Ausschnitt derselben, so groß wie das Fenster, durch das sie schauen, und jedenfalls nicht das ganze Haus, und schon gar nicht, was warum in der Stube alles zusammen läuft, und, ja, vielleicht, für den raschen Blick von draußen: Unordnung schafft. Das soll keine Entschuldigung sein, selbstverständlich nicht – aber es sollte halt, finde ich, berücksichtigt und das ganze Haus betrachtet werden, bevor sich ein Bild gemacht wird. Alles andere kann nur schiefe Ergebnisse zeitigen. Nicht zuletzt: Es ist viel leichter, etwas zu kritisieren, das schon da ist, oder etwas Bestehendes zu verbessern, als (aus dem Nichts) etwas Neues zu schaffen.

Ganz besonders nachdenklich aber hat mich dieses heftige Hin-Zeigen zur „Provinz“ und die (von ihr) beauftragten Vereinigungen gemacht, die „dafür (für das Engagement und die Unterstützung der flüchtenden Menschen) bezahlt würden“. Natürlich ist es richtig und unabdingbar, dass jene Finger der öffentlichen Hand, deren Aufgabe das ist, sich kümmern, sich engagieren, koordinieren, und die dafür vorgesehen und notwendigen Mittel und Kompetenzen bereit stellen.

Aber: Heißt das automatisch auch, dass wir, die Menschen, die Zivilbevölkerung, einfach an „die Provinz“ delegieren können? Natürlich können wir – aber ob das gut ist, das ist die Frage, die mich seit gestern beschäftigt. Vielleicht ist ja, habe ich mir gedacht, gerade dieses eines der grundlegenden Probleme unserer Zeit und Ursache der, oder zumindest: maßgeblich beteiligt an den Erschütterungen, die sie gerade durchlebt: Dass die Menschen, zu viele Menschen, fast alle Menschen, jedeR für sich, nur dem eigenen Leben nachgeht, und alles andere, also die Gemeinschaft, das Gemeinwohl, der öffentlichen Hand, den Institutionen, „der Provinz“ überlässt. Wir bezahlen ja dafür, Steuern, und sind also gewissermaßen Auftraggeber. Sollen die doch machen.

Wie aber soll, frage ich mich, ein Mensch Mitgefühl entwickeln, wie Verständnis – wenn er das Mitgefühl und das Verständnis delegiert, mit der Aufgabe? Wenn alles, was Mitgefühl, Anteilnahme, Verständnis, Aufgeschlossenheit – also jene Form/en der emotionalen Intelligenz, ohne die jede Gesellschaft über kurz oder lang erfriert, erfrieren muss – weckt, wecken muss, von der Bevölkerung weg geschoben wird, zu den Institutionen hin? Genauso wenig wie ein Mensch, der nie oder nur ganz selten in der freien Natur unterwegs ist und sie selbst bei jenen raren Gelegenheiten nicht wirklich an sich heran lässt (meist steht ja noch was dazwischen, zwischen dem Menschen und der Natur, sei das ein Auto, seien das Ohrstöpsel, sei das ein Handy), wohl kaum ein Gespür und ein Gefühl – auch kein Mitgefühl – entwickeln kann für sie, für ihren Wert, und ihre Kostbarkeit.

Mitgefühl kann doch nur entstehen, wenn eine gewisse Nähe zugelassen und erlaubt wird. Und gerade das verhindert die in unserer Zeit und Gesellschaft allgegenwärtige „Professionalisierung“ – oder eben: mach du das, ich bezahle dafür -, auch des Helfens, des Mitgefühls. Mit der Folge – vielleicht, wer weiß – dass gewisse „gefühllose“ Ideen und politische Richtungen und Gruppierungen immer leichter Halt finden, und sich ausbreiten können, bis einem Angst und Bang wird. Ja, vielleicht müssten sich „die Institutionen“ ein bisschen zurück nehmen, manchmal, und der Zivilgesellschaft mehr Raum lassen (geben), sie mehr fordern.

Ah ja: Und wenn’s dann heißt, die Äpfel, die bräuchten nicht gespendet zu werden, denn schließlich sei doch Geld dafür da, dann muss auch die Frage erlaubt sein: Warum Geld ausgeben für Äpfel, wenn sie doch auch – vielleicht, wer weiß – gespendet werden könnten, und das dadurch frei gewordene Geld anders investiert werden kann, zum Wohle der Menschen, auf ihrer schwierigen Reise?

Ich weiß es nicht, ich frage mich nur.

Freies Geläut

Vom Schweigen

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