
Der Bürgermeister der Gemeinde, der ich qua Geburt angehöre, hat gestern oder vorgestern in seiner Facebook-Timeline dieses Bild geteilt, mit seinen Followern und der mehr oder minder interessierten Öffentlichkeit. Ich hoffe, er wird es mir nachsehen, dass ich mir das Foto hiermit quasi einverleibe, ungefragt, denn es ist ein ungeheuer starkes Bild, das ich nicht „einfach so“ an mir vorüber ziehen lassen kann.
Ist da draußen jemand, der/die die Seiser Alm nicht kennt? Wohl kaum. Und ist da draußen jemand, die/der das „Eurotel“ auf der Seiser Alm nicht kennt? Wohl kaum. Okay – mag sein, der riesige Hotelbau mit der Wirkung einer hässlichen, behaarten Warze mitten im Gesicht einer schönen Person fällt heutzutage nicht mehr so sehr ins Gewicht: Compatsch, also der Eingangsbereich der Seiser Alm, und mithin der Ort, an dem (auch) das „Eurotel“ steht, ist heute so sehr ver- und zuge-baut, dass dieser unappetitliche Makel im Großbauten-Getümmel an Relevanz verliert.
Davon unabhängig aber finde ich, dass dieses Foto Substanz gewordener Ausdruck ist von den sprichwörtlichen zwei Welten – Kulturen – die aufeinander prallen: Unten der Bauer mit seinem Heufuder (ja, „Fuder“ habe ich im Duden nachgeschlagen, und überrascht gefunden: Das Wort ist korrektestes Deutsch, kein bisschen Dialekt), in seiner ganzen Haltung ein einziges, sprachloses und ja, ein ganz klein wenig auch eingeschüchtertes: Staunen. Darüber (!), der neue, gewaltige Rohbau des Eurotel – eine einzige Verheißung (aber auch, warum nicht und je nach Blickwinkel, eine düstere Be-Drohung), wie ein Raumschiff, das aus der Zukunft kommt, und just diese im Gepäck hat, für den Bauern, und seinesgleichen, und für überhaupt die ganze Welt, für diese kleine hier, zumal.
Was aus dieser Verheißung geworden ist, steht weithin sichtbar – für die, die es sehen wollen -, wie ein Ausrufezeichen, ein ziemlich hässliches aber vor allem vernachlässigtes, noch heute und wohl für alle Zeiten über Compatsch, dem Eingangsbereich der weltweit einzigartigen Seiser Alm.
Ja, habe ich mir gedacht, als neulich dieses so beredte Foto in mein Gesichtsfeld rückte, ich wüsste wohl gerne, was in diesem Bauern vor sich gegangen sein mag, in jenem Moment, als der Fotograf abdrückte, in seinem Rücken. Aber noch lieber wüsste ich gerne, wie wohl die Entstehungsgeschichte dieser „Vision“ geschrieben sein mag, mit welchen Worten und mit welchen Argumenten sie wohl hausieren gegangen sein mögen, die Betreiber dieser Vision von einem Schiff aus der Zukunft für einen zukünftigen Tourismusmarkt auf der weltweit schönsten Hochalm, bei den maßgeblichen Personen, und an den maßgeblichen Stellen, aber auch in der Bevölkerung, bei den Bauern, ihren Frauen und ihren Nachkommen, bis ihre Vision spruchreif war, und erst Projekt und danach Realität werden konnte.
Und ich höre sie, die Wirtschaft!, wie sie auch heute spricht, wenn sie eine „Vision“ verkaufen will, der Bevölkerung und ihren Vertretern, ich höre sie rufen, „Innovation! muss sein!“, und ich höre sie berichten von der „Notwendigkeit, den Anschluss nicht zu verpassen“, und höre sie referieren, von der „Zukunft, die nicht wartet“, und der „Wertschöpfung, die geschaffen werden muss“, von einer „Investition in die Zukunft der Region“ und vom „Stillstand, der Rückschritt bedeutet“.
Und ich sehe, was daraus geworden ist.
Insofern, habe ich mir gedacht, wäre es doch vielleicht klug, sich vorsichtig/er zu bewegen, in der Landschaft, als wir das tun: „minimalinvasiv“ gewissermaßen. Nicht umgekehrt.