Oh, diese Scheinheiligkeit!

Es gab da neulich auf RAI Südtirol in der Sendung „Pro & Contra“ eine Diskussion über die Notwendigkeit/den Wunsch der Anerkennung von Ehen unter gleichgeschlechtlichen Paaren. Es diskutierten Andreas Unterkircher, Präsident von „Centaurus“ und bekennender Schwuler, und ein Herr Lois Taibon, Obmann – glaube ich – der Pustertaler Südtiroler Freiheitlichen (es wäre ja übrigens schön, wenn man bei RAI Südtirol endlich anfinge, seine Sendungen auch im Internet zur Verfügung zu stellen).

Das einzige „Argument“, das dieser Herr Taibon – der eigentlich ganz normal aussah, durchaus modern und aufgeschlossen – in der Sache zu bieten hatte, war eine Art Notwendigkeit zum „Schutz der traditionellen Familie“, also Mann Frau Kind, in dieser Reihenfolge. Als hätte eine Ehe unter Schwulen oder Lesben einen wie auch immer gearteten Einfluss auf die sexuellen Vorlieben der allgemeinen Menschheit. Bei den Freiheitlichen meint man wohl, gleichgeschlechtliche Liebe sei ansteckend.

Was mich aber wirklich schwer bedrückte an diesem Mann war seine Scheinheiligkeit, oder vielleicht nicht seine persönliche Scheinheiligkeit, sondern die der Partei, die er vertritt. Man ist dort nämlich der Meinung, die Ehe bzw. die rechtliche Gleichstellung der Ehe zwischen gleichgeschlechtlich Liebenden dürfe nicht sein, weil damit etwas öffentlich wird oder öffentlich gemacht werden könnte, was in Wahrheit nicht öffentlich sein darf. So lange, sprach der Herr Taibon von den Freiheitlichen, so lange also die Schwulen und Lesben ihre Liebe in ihren eigenen vier Wänden behalten, und sie nur dort ausleben, sei das zu tolerieren, aber in die Öffentlichkeit gehöre so etwas nicht. Schmutzige Wäsche, meinen wohl die freiheitlichen Saubermänner, wäscht man im Dunkeln, Hauptsache, niemand sieht es.

Und ich hatte geglaubt, diese dunklen Zeiten scheinheiliger Bigotterie seien längst überwunden. Dass übrigens sogar der Papst in seinem Vatikan und seiner Kirche öffentlich über Homosexualität diskutiert und diskutieren lässt, und sie als Möglichkeit der Bereicherung für seine Kirche bezeichnet, ist bei den Südtiroler Freiheitlichen wohl nicht angekommen. Wo leben denn diese Leute, eigentlich?!

Er hatte übrigens auch ganz richtig erkannt, der Herr Taibon von den Südtiroler Freiheitlichen, dass ein sehr großer Teil der Schwulen- und Lesbengemeinde es vorzieht, sich nicht zu outen. Er fand diese traurige Tatsache allerdings keineswegs bedenklich, sondern deutete sie eher als Bestätigung für seine (wahrscheinlich) Meinung, dass diese Menschen sich ihres “Andersseins“ – bei den Freiheitlichen würde man wohl eher ihrer „Abartigkeit“ sagen – schämen. Für ihn ist es ganz normal, dass Menschen sich in unserer zivilisierten (!) Gesellschaft nicht trauen, ihre Gefühle für einen anderen Menschen öffentlich zu machen. Wie gesagt, wir sprechen von Liebe – aber vielleicht kennt man so etwas ja gar nicht bei den Freiheitlichen, wo es – Herrn Taibon zufolge – in einer Beziehung weniger um Liebe, als vielmehr und in erster Linie um die Fortpflanzung geht. Aber natürlich: Was soll man sich auch anderes erwarten von einer Partei, in der es normal ist, Hass und Geringschätzung zu predigen.

Ich zumal sehe in solcherlei Ideen eine schreckliche Geschichte durchscheinen, und nein, ich glaube nicht, dass die Parallelen, die ich erkenne, an den Haaren herbei gezogen sind.

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