Ich gestehe: Ich bin ein Brot-Freak und bräuchte, um glücklich zu sein, wenig mehr als ein Stück guten Brotes. Gutes Brot aber, im klassischen Sinne, ist ein rares Gut geworden, in unseren Tagen, so sehr, dass ich persönlich ja zur Ansicht neige, der Zustand einer Gesellschaft lässt sich an ihrem Brot ablesen und erkennen: Je übler das Brot, desto übler die Zustände in der Gesellschaft. Unter üblem Brot verstehe ich übrigens alles, was uns gemeinhin und mit wenigen Ausnahmen als „Grundnahrungsmittel“ zugemutet wird: Viel Luft (Schein!), wenig Substanz (Sein!); aufgeblasene Teigklumpen, die am besten schnurstracks verschlungen werden, weil je länger man kaut, desto übler der Geschmack, und überhaupt (langer Rede, kurzer Sinn): Viel Getue, wenig drin.
Ganz besonders bedrückt mich, dass die Industrialisierung unseres Brotes auch bei uns, im kleinen, heilen Südtirol längst Einzug gehalten hat, sogar hinaus bis in die abgelegensten Dörfer. Selbst dort also, wo Tradition hoch gehalten wird, schmeckt oft das Brot des alteingesessenen Dorfbäckers inzwischen kein bisschen anders als jenes künstliche der Supermarktketten. Das ist kein gutes Zeichen, finde ich, und es spricht keine schöne Sprache, über unser Land, das doch immer dargestellt wird – und sich gern darstellt – als Ort, wo die Welt noch in Ordnung ist. Ist sie nicht, wenn unser Brot als Maßstab dienen darf.
Aber hin und wieder weht ein gütiges Schicksal mir einen schönen Text wie diesen hier vor die Nase, und dann keimt Hoffnung auf in mir, dass ja vielleicht alles wieder gut wird, wenn nur genügend Menschen diese Texte lesen, und dass die Dinge sich wieder einrenken, über kurz oder lang. Ich kaue dann genüsslich und sehr lange, wie auf einem Bissen guten, ehrlichen Brotes, das alleweil besser wird, je länger man es kaut, über schönen Sätzen, die so altmodische Dinge sagen wie „Zeit ist eine der wichtigsten Zutaten“ und denke mir, natürlich, so muss das sein, bei Brot und vielen anderen Dingen auch, denn schnell und gut, das verträgt sich fast nie.
Ja, und dann gibt es aber auch noch die anderen Sätze, solche wie diesen hier, und die machen mich erst recht nachdenklich: „Die viele Handarbeit hat natürlich auch Nachteile: Wir brauchen mehr Personal“. Wenn ich nämlich einen solchen Satz lese, kann ich nicht umhin, gleichzeitig an die Plage unserer Zeit zu denken, nämlich an die Arbeitslosigkeit, und komme in Folge nicht drum herum, mich zu fragen, ja, ob das denn dann nicht vielmehr ein Vorteil ist, wenn für eine Arbeit mehr Personal gebraucht wird, denn Personal, das sind Menschen. Und wenn also viele Menschen arbeitslos sind, und gutes Handwerk und gute Arbeit mehr Zeit und also mehr Personal braucht – ja warum, frage ich mich dann, warum fördert dann die Politik immer noch Maschinen, und Industrie, statt Menschen, und Handarbeit?!
Und was mich, nicht direkt aber immerhin, in diesem Zusammenhang auch beschäftigt, ist diese Benko- bzw. „Erlebnishaus-„Geschichte für unsere schöne Landeshauptstadt. Ich weiß es ja nicht, aber ich denke mir, das Letzte, was wir brauchen, ist eines dieser entsetzlich ermüdenden Einkaufszentren, wie die Welt sie schon im Überfluss hat, mit künstlicher Luft und künstlichem Licht und hohem Kopfschmerzpotential. Und was wir noch weniger brauchen, ist eines der eben beschriebenen Einkaufszentren, denen das unsägliche „Erlebnis“-Label“ aufgepappt wurde. Wo Einkaufen zum Erlebnis hochstilisiert werden soll, geht’s, seien wir doch ehrlich, unter dem Strich doch immer nur um „noch ein bisschen tiefer in die Brieftasche der Bürger“. Was wir aber sehr wohl brauchen könnten, wenn’s denn sein muss, das wäre so was wie eine schöne Markthalle, wie früher, mit ehrlicher Arbeit, frischer Luft und guten Produkten, ein Ort, an dem schöne und gute Dinge repariert werden können, ein Platz für die „Kleinen“ und nicht schon wieder einer für die „Großen“, die dann die Kleinen wieder auffressen, jene also, die sich ehrlich mühen, um so schöne Dinge wie gutes Brot, zum Beispiel, und zwar um des guten Brotes willen, und nicht des Marketings wegen.
À propos… hier, für alle, die wie ich Brot-Fetischisten sind und im Niedergang unseres Brotes auch den Niedergang unserer Gesellschaft erkennen, noch ein paar Texte zu diesem schönen Thema:
So falsch ist unser Billig-Brot: Alles, was nicht gut und nicht echt ist, oder: Wie wir uns am Nasenring durch die Manege führen lassen
Mehr als nur klägliches Brot: Wie es sein könnte, aber nicht sein muss, oder: Wenn gutes Brot zum Luxus wird – was erzählt uns das über unsere Welt?
Nur anrühren reicht nicht: Es gibt sie noch, die Idealisten, die’s besser wissen (und die ihr Wissen weitergeben)