Die Zeit drängt: Dieser wunderbare Film kann nur noch wenige Tage online abgerufen werden, in der ARTE Mediathek (http://www.arte.tv/guide/de/040409-000/speed-auf-der-suche-nach-der-verlorenen-zeit?autoplay=1), und es wäre jammerschade, wenn nicht so viele Menschen wie möglich ihn sehen würden: Jede einzelne der 90 Film-Minuten ist – ich glaube nicht, zu übertreiben – ein Gewinn.
In seinem Dokumentarfilm macht sich Florian Opitz auf „Die Suche nach der verlorenen Zeit“, und beginnt seine lange Reise, die ihn um die Welt führen wird, mit Feststellungen wie dieser hier: „Meine Erfahrung mit der Zeit beschränkt sich nur noch auf das eine Gefühl: Sie fehlt.“ (Wer kennt es nicht, dieses Gefühl?!) Aber, so fragt er sich, warum ist das so? Wo bleibt sie, die Zeit, die wir oft mühsam, gern aufwändig und meist kostspielig mit modernen Technologien und Hilfsmitteln einsparen woll(t)en? Einfach: „Die Wirtschaft“ frisst sie auf, sie ist es, die Ominöse, die uns in immer schnellere Zwangsjacken drängt und uns, im ziemlich wörtlichen Sinne, unsere Zeit stiehlt, um sie zu Geld zu machen, nicht zu unserem Geld, aber das ist eh klar.
Kleiner Exkurs: Michael Ende hatte 1973 ein Kinderbuch veröffentlicht mit dem Titel „Momo“; in dieser Geschichte lässt er „graue Herren“ mit dicken Zigarren die Menschen um ihre Zeit betrügen, mit dem Zweck, die Weltherrschaft zu erlangen. Ich weiß jetzt nicht, ob Michael Ende ein Visionär war und in die Zukunft blicken konnte, oder ob es sich um einen Zufall handelt – jedenfalls finde ich sie frappierend, die Parallelen und Ähnlichkeiten zwischen seinem Märchen und unserer heutigen Realität. Aber vielleicht sehe diese Ähnlichkeiten und Parallelen ja auch nur ich, weil ich – zugegeben – eine gewisse Abneigung hege gegen die versachlichten „grauen Herren“ unserer Tage, die alles beherrschen und alles bestimmen, auch, dass sich Emotionen nicht gehören. Ich weiß es nicht, aber ich glaube, es waren (sind) „die Sachlichen“, die unsere Welt an den Abgrund getrieben haben, und nicht die Emotionalen.
Aber zurück zum Thema. Gegen Ende seiner weltumspannenden Reise auf der Suche nach der verlorenen Zeit kommt der Autor unter anderem beim Bedingungslosen Grundeinkommen an (wie schön, es wird alleweil „alltäglicher“ und somit denkbarer), und er besucht Bhutan, das erste Land der Welt, in dem neben (!) dem Bruttoinlandsprodukt auch das BruttosozialGLÜCK (http://www.youtube.com/watch?v=5y0NXfOcW7o) des Landes erhoben wird und ein Maßstab ist. Was ich besonders schön finde: Das Land hat einen eigenen Minister bestellt, und dieser Minister ist zuständig für das Glück des Landes und dessen Bevölkerung. Was für eine schöne Aufgabe, habe ich mir gedacht, Minister für das Glück, und ja, ich habe mir auch gedacht, das könnten wir doch imitieren, das müsste doch zu machen sein.
Ein Südtiroler Ministerium oder Landesrätin für „Glück und das Gute Leben“, mit der Aufgabe, die Provinz zu einer glücklichen und nicht nur zu einer reichen Provinz zu machen, das wäre doch mal eine Vision für uns, und endlich mal eine ohne ein gerüttelt Maß Zerstörungswut, wie es hingegen den anderen, bei uns vornehmlich gepflegten Visionen fast immer eigen ist, wie zum Beispiel jener eines eigenständigen Südtirol, oder, um die Kirche im Dorf zu lassen, jener anderen von einem Skikarusell zwischen Apfelpflanzungen.
Davon könnten wir sogar vielleicht alle gemeinsam träumen, sprachgruppen-, dörfer- und kulturübergreifend, von einem Südtirol mit der „glücklichsten Autonomie der Welt“ und wir hätten sogar, den Bhutanern gegenüber, einen beträchtlichen Start-Vorteil: Die materielle Stabilität, die man sich dort erst erwirtschaften muss, haben wir längst. Bei uns ginge es allein darum, die Prioritäten neu zu ordnen, und uns, um es noch einmal mit Florian Opitz zu sagen, „von unserer Fantasielosigkeit zu befreien“.