Seit den Gemeindewahlen ist die Frauenquote – oder eigentlich: „Der Irrsinn“ der Frauenquote – wieder einmal in aller, vornehmlich der Herren, Munde. Sie funktioniert einfach nicht, heißt es, und sei sowieso „ein Irrsinn“ – wie gesagt -, „“Quatsch“, „absurd“, „illegal“, und gar demütigend (!) für kluge Frauen, denn die gäbe es, ohne Quatsch, und kluge Frauen brauchen keine Quote. Darf ich, bei dieser Gelegenheit, einmal höflich nachfragen, mit welcher Berechtigung all diese „Herren“ sich ihre abschätzigen Urteile anmaßen? Und überhaupt ihr Urteil anmaßen? Woher wollen sie wissen, wovon sie reden („aus Erfahrung“ reden sie wohl eher nicht…)? Wer legt den Maßstab an, und wo, dafür, was „Quatsch“ ist, und was „Irrsinn“?
Jedenfalls: Eines der Lieblings-„Argumente“ dieser Quotengegner ist immer und ausnahmslos, dass „die Fähigsten“ (aus-)gewählt werden sollen (müssen), und nicht „die Quoten“. Bei diesem Schein-Argument (um nicht, nach Männermanier, „Quatsch“ zu sagen…) möchte ich mich nicht lange aufhalten – es ist gar zu inhaltsleer, und so weich wie ein Wattebausch. Tatsächlich muss die Frage eigentlich lauten, wie und warum es überhaupt so lange und so wirkmächtig durch unsere Gesellschaft und ihre Quotendiskussionen wabern konnte und kann. Das ist schon erstaunlich, denn: Nie ist „die Quote“ alleiniges, sondern stets nur das ausschlaggebende Argument – nachdem (!) festgestellt und gesichert ist, dass die Fähigkeiten der weiblichen Aspirantin den Anforderungen der Stellung entsprechen. Ohne Quote hätte nämlich, bei gleichen Fähigkeiten, wohlgemerkt, die weibliche Aspirantin kaum eine Chance – schlicht, weil das System so ist, wie es ist. Kleiner Exkurs: Es schüttelt mich noch heute, wenn ich an jenen Herrn Gasser und seine inhaltsleeren, niederträchtigen und schamlosen Floskel-Sätze denke, die er sich zu sagen getraute, öffentlich, in jenem Pro & Contra mit Frau Oberhammer, über die Frauenquote. Kein Aufschrei ging durchs Land, nicht einmal ein Aufstöhnen angesichts von so viel offensichtlicher Unfähigkeit. Und doch: Außer mir schien niemand sich zu fragen: Wie kam bloß dieser Mann zu seinem Posten?
Womit ich bei den „Fähigsten“ wäre, dem nächsten Lieblings-„Argument“ der Quotengegner. Ich hatte ja schon bei früherer Gelegenheit einmal Zweifel angemeldet, an dieser angeblichen Tatsache von der Herrschaft der Besten, der Fähigsten. Ich hatte nämlich, in Wahrheit, noch nie wirklich den Eindruck, dass es tatsächlich „die Fähigsten“ sind, die ganz vorne mitmarschieren und mitregieren. Im Gegenteil: Je mehr ich hin-schaue, und nicht (wie gewohnt…) auf-schaue – desto öfter frage ich mich: Wie kommt der bloß zu diesem Posten? Und wie kann er sich auf diesem Stuhl halten? Eine schlüssige Antwort habe ich noch nicht gefunden – aber ich ahne und vermute, dass die Netze (!), die dieses System tragen (wie sie es seit jeher tun), hochfeine und also sehr fragile Gespinste sind: Die nächsthöhere Ebene kann nicht bestehen, wenn die jeweils untere nicht zuverlässig trägt, nicht zu schlecht, aber auch nicht zu gut. Das ganze Gebilde bleibt aber eben nur dann im Gleichgewicht, wenn jeder Faden, jeder Knoten in der passenden Stärke – Schwäche – ge- und verwoben ist. Und so sitzt eine ganze Heerschar Unfähiger auf ihren Posten und Pöstchen – nicht, weil sie gut sind, sondern weil sie gut für das Netzwerk sind (so „gut“ kann jede Frau allemal, aber: „gut sein“ reicht leider nicht, und auch nicht „sehr gut sein“, in einer Welt, die auf „Mann sein“ gepolt ist):
Ist das gut so? Ich glaube nicht. Ein Netz(werk) dient ja immer – ausnahmslos – einem einzigen Zweck, einem „einzigen Herrn“, und jedes Netz funktioniert auf die immer gleiche Art und Weise. Oder gibt es etwa ein Netz, das nicht auf ein Zentrum hin wirkt? Eines, das nach außen weg verteilt? Gibt es nicht, aber ich lasse mich gern eines Besseren belehren.
Was aber bisher lediglich eine Ahnung, ein leises Staunen in mir war – wie ist das alles nur möglich?! -, erfuhr kürzlich und ganz unvermutet Bestätigung von wissenschaftlicher Seite und auf wissenschaftlicher Basis, nämlich der sozialpsychologischen Forschung: Dort geht man nämlich davon aus, dass
Männer eher dazu neigen, sexistische Bemerkungen, Handlungen und Strukturen zu übersehen, als Frauen. Das treffe insbesondere auf Männer zu, die über einen gewissen Status verfügten, etwa im Berufsleben. Denn: Die Ungleichbehandlung von Frauen zu erkennen hieße, die eigene Position auf der Karriereleiter und damit die Privilegien unter Männern als ungerecht zu taxieren.
Manche Studien stellen gar das Leistungsprinzip infrage. Bei Diskriminierungen von Kolleginnen werde deshalb nicht so genau hingesehen, weil das den Glauben der Manager erschüttern würde, die eigene Stellung allein durch harte Arbeit verdient zu haben. So steht es in einem Beitrag im amerikanischen «Journal of Social Issues» von 2014. Im gleichen Artikel (…) wird den Männern empfohlen, sich von ebendiesen meritokratischen Überzeugungen zu lösen. Je mehr dies geschehe, desto eher sei man in der Lage, Benachteiligungen von Frauen wahrzunehmen (gelesen bei nzz.ch in „Das Schweigen der Männer.“
DIESE sind sie also, die wahren Ungerechtigkeiten, und DArüber sollte diskutiert werden – und nicht über die Ungerechtigkeit der Frauenquote. Denn die ist keineswegs ungerecht, im Gegensatz zu den althergebrachten und kaum je in Frage gestellten Privilegien, dank derer Männer sich selbst und ihresgleichen dorthin platzieren, wo eigentlich nur die Fähigsten sein sollten. Und nicht die Privilegierten.