Es muss in Fiorenzuola d’Arda gewesen sein, ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr genau, wie wir dahin gekommen sind, aber ich erinnere mich sehr gut daran, wie wir das Städtchen am nächsten Morgen – war es Sonntag? – wieder verließen. Es war noch recht früh, irgendwie glaube ich, war alles grau in grau, und wir hatten Mühe, in den Gässchen und auf unserem Weg aus der Stadt hinaus ein geöffnetes Café zu finden, in dem wir frühstücken konnten. Dann aber landeten wir glücklich an einem Tisch, und wurden kurz darauf gefolgt von drei Männern, ihrem Aussehen nach aus dem nahen oder mittleren Osten gebürtig. Sie setzten sich uns gegenüber, und wirkten insgesamt, als hätten sie ihre Nacht im Freien oder in einem Auto oder jedenfalls an keinem besonders gemütlichen Ort verbracht. Ich hatte ein ungutes Gefühl, ohne dass ich hätte sagen können, warum, aber etwas beunruhigte mich im Verhalten der drei, und in den Blicken, die sie sich zuwarfen. Ich ermahnte mich, zuerst, dass Vorurteile etwas Hässliches sind, und dann aber doch zum Aufbruch.
Wir waren kaum aus der Gasse draußen und in die etwas breitere Hauptstraße eingebogen, als mir ein schneller Blick zurück bestätigte, dass die drei uns tatsächlich gefolgt waren. Das war kein schöner Gedanke, aber doch mahnte ich mich zur Ruhe, denn schließlich, wer sagte, dass die drei nicht zufällig dort hinter uns waren, noch ein ganzes Stück weit weg, aber doch unverkennbar die drei aus dem Café? Aber es ist ja nun doch so, auf einer Wander-Reise wie der unsrigen: Man ist ja fremd in der Gegend, und hat keine Ahnung, was vor einem liegt – ich hatte, Vorurteile hin oder her, keine große Lust auf ein einsames Wegstück, mit möglicherweise den dreien im Nacken. Denn das Trio blieb hinter uns, präzise wie drei Schweizer Uhren.
Also tat ich, was frau halt tut in so einer Situation, und hielt einen groß gewachsenen Mann an, um ihn nach unserem Weg zu fragen. Ein vorsichtiger Blick nach rechts bzw. zurück bestätigte mir die Ahnung, die mich begleitete, seit wir das Café verlassen hatten, nämlich dass das Trio (ebenfalls) einen langsameren Gang eingelegt hatte, und also wahrscheinlich doch hinter uns her war. Derweil konnte uns der Mann, ein Eingeborener, leider nicht helfen, aber immerhin erfuhren wir, dass er in Trient arbeitete, bei dem – glaube ich – Medikamenten-Verteiler, der auch unsere Apotheken beliefert. Der Herr war sehr freundlich, und ganz begeistert über unsere Heimat, aber auch über unsere Reise, und hielt seinerseits einen älteren Herrn an, den er offensichtlich kannte, und der uns, wie er sagte, begleiten würde, denn er sei just in diese Richtung unterwegs. Ich war ziemlich erleichtert, auch, wenn der Mann ein alter Mann war, und schon ziemlich tattrig, und also im Notfall vermutlich keine große Hilfe wäre, aber immerhin: Unsere Verfolger waren kurz darauf verschwunden.
Derweil wir mit dem alten Mann aus Fiorenzuola d’Arda hinaus wanderten, und unser Begleiter erzählte, von seinen zwei Herzinfarkten, und seiner toten Frau, und ganz am Ende, als wir schon gute 20 Minuten mit ihm spaziert waren und er meine Tochter mehrmals ermahnt hatte, sie solle doch unbedingt gute Turnschuhe anziehen, solche wie die seinen, anstelle der Sandalen, die sie trug, er schüttelte missmutig den Kopf, man könne doch nicht in Sandalen wandern, derweil ich versuchte, ihm zu erklären, dass wir ja schließlich in den Bergen daheim und quasi wandernd auf die Welt gekommen waren, erzählte er uns noch, wie er seinen Sohn verloren hatte, der Zug, sagte der alte Mann, raste mit 160 Stundenkilometern in den Bahnhof ein, und sein Sog, der Luftzug hat ihn mir einfach mitgerissen, meinen Sohn, einfach vom Bahnsteig gerissen.
Ja, so war das, und dann hat er uns frohe Ostern gewünscht, und sehr lange gewinkt. Es war da noch sehr weit hin, fast einen Monat, bis nach Ostern, und also doch sehr früh für Osterwünsche, wie auch unser Begleiter einwandte, aber noch eine Gelegenheit, uns gegenseitig alles Gute zu wünschen, würde sich ja nicht mehr bieten.