Es ist schon länger her, als ich zum ersten Mal mit dem Titel „Welterbe“ konfrontiert worden war, den die UNESCO seit 1972 an weltbedeutende Stätten vergibt. Es gibt übrigens im Netz eine sehr interessante Liste über alle Welterbe-Stätten und eigentlich denke ich, sollte diese Liste an den Schulen dieser Erde gelehrt werden, damit in der Menschheit, die dieses Erbe zu verwalten hat, möglichst früh ein Gespür dafür entwickelt wird, und dazu der nötige Respekt mit, vielleicht, ein wenig Demut.

Möglich, dass damals gerade der Titel an Venedig (1987) vergeben worden war. Jedenfalls weiß ich noch, dass ich mich fragte, wie es sich wohl leben mag, inmitten eines Welterbes, ob ein solches überhaupt lebbar sei, im ganz normalen Alltag, angesichts der Bedeutung dieser Stätten, die allen gehören (Gemeingut!). Und so fragte ich mich: Gehen die Menschen dort nur auf Zehenspitzen? Tragen sie weiche Überschuhe, um die Böden ihrer Stadt nicht zu zerstören? Dürfen sie auf ihren Rädern fahren, oder müssen sie die neben sich her schieben? Rauchen sie auf den öffentlichen Plätzen und Straßen, lassen sie die Asche ihrer Zigaretten fallen? Und was ist mit Hunden? Spielen Kinder Fußball? Sprechen die Leute nur ganz leise, wie das in Kirchen, oder Museen üblich ist? Nein, ich konnte mir nicht vorstellen, wie sich ganz normales tägliches Leben ganz normaler Menschen in diesen gewaltigen „Räumen“ eines Welterbes abspielen könnte, und wie es sich mit dem Respekt und der Achtung für diese gewaltigen Werke von Mensch und/oder Natur vereinbaren ließe.

Wie lächerlich!

Inzwischen weiß ich es genau: In einem Welterbe lebt es sich wie überall sonst auch, allenfalls beschweren sich die Bewohner über die baulichen Einschränkungen, die es ihnen auferlegt, aber niemals und nirgends nehmen sie sich auch nur geringfügig zurück aus Respekt für den irgendwie doch heiligen Boden, auf dem sie leben und von dem sie zehren.

Im Gegenteil. Just gestern las ich die bitteren Klagen eines Welterbe-Anrainers aus dem Ladinischen, und er wirkte höllisch frustriert. Der Lärm, der Verkehr, die Respektlosigkeit, die Geringschätzung und die Nichtachtung, schreibt er, all dies und viel mehr zeugen davon, wie wenig bis gar nichts die allgemeine Menschheit mit dem Begriff eines Welterbes anfangen kann. Aber vielleicht sind wir ja selbst Schuld daran: Es wird beworben, das Welterbe, auf Teufel kaum raus, es wird zum Marketing-Instrument und zur Marke degradiert, es wird gemessen und gewogen, bewertet und gewertet, es werden Pakete geschnürt und Veranstaltungen erfunden und was am Ende noch übrig bleibt, vom Erbe, ist eine Position in den Bilanzen, ein – vielleicht, hoffentlich – Plus in den Nächtigungs-Statistiken.

So ist das, so sind wir, und damit hat sich auch die Sache mit dem Respekt, der Wertschätzung, der Achtung erledigt.

 

 

 

 

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