Es gibt keine Grenzen, die auch nur einem einzigen Menschen in all seinen Facetten, seinen Lebensentwürfen und seinen vielfältigen Anforderungen an das Leben gerecht werden könnte. Jede Grenze, wenn sie von Menschenhand nach den „klassischen“ Kriterien gezogen wurde, kann gar nicht anders als einerseits ausschließen, und andererseits eingrenzen. Das liegt in der Natur der Grenze. Es ist also völlig illusorisch, sich und anderen einreden zu wollen, es ließen sich solche oder andere Grenzen ausfindig machen, die alle Menschen, die drinnen und die draußen, glücklich oder auch nur zufrieden machen.
Denn ein und derselbe Mensch kann sich zum Beispiel einem Wirtschaftsraum zugehörig fühlen, oder ihm angehören wollen. Dieser muss aber keineswegs deckungsgleich sein mit dem – sagen wir mal – Sprach- oder Kulturraum, dem sich dieser Bürger angehörig fühlt, oder dem er angehören will. Wenn also Grenzen sein müssen – und das ist sehr wahrscheinlich so – und wenn diese Grenzen den Bürgern möglichst viel Bewegungsfreiheit lassen sollen, auch im übertragenen Sinne, dann müssen diese Grenzen die Lebensbereiche der Menschen ordnen, und die Lebensräume. Die aber sind nie und nirgends starr, sondern stets in Bewegung und jedenfalls fließend, nie aber deckungsgleich in allen Bereichen.
In diesem Sinne irritiert mich auch die viel zitierte und viel gepriesene „Euregio“, denn sie hat starre Grenzen, sie engt viele(s) ein und grenzt viele(s) aus, und sie gibt eine Richtung vor, die keineswegs von allen Betroffenen geteilt und empfunden werden muss. Zudem haftet ihr in meinen Augen auch viel zu viel dessen an, was der Hauptmann der Südtiroler Schützen „die drei Landesteile“ nennt. Ich finde das sehr schade, denn damit hat sie ihre Zukunft schon verloren und ist ein Ding von gestern.
Die Welt – und ihre Menschen – lässt sich nicht mehr innerhalb von Grenzen festzurren, und genauso wenig dort festhalten. Das ist vorbei, längst vorbei, und es lässt sich nicht wieder holen.
Es ist deshalb jede Grenze, und sei sie noch so „regional“ oder „bürgernah“, die in einem „territorialen“ Sinne neu gezogen wird oder gezogen werden soll, ein Akt der Willkür und eine enorme Verschwendung von Energie, und zwar jede Form von Verschwendung jeder Form von Energie.
Wir müssen andere, neue Wege finden.