Klimawandel? Welcher Klimawandel?!

Ich komme grad vom Schneeschaufeln, eine elende Schinderei. Das Zeug tut nur so, als sei es Schnee – in Wahrheit ist es nasser Zement. Aber es sieht hübsch aus, ohne Zweifel, und wer nicht zu genau hinschaut, die könnte doch glatt meinen, wir hätten eine richtige Winter-Idylle. Wie damals, früher, als die Welt noch in Ordnung war und funktionierte, wie wir und die Schneewirtschaft uns das wünschten.

Und tatsächlich lassen die Jubel-Meldungen auch nicht lange auf sich warten, bei denen, die’s einfach nicht wahrhaben wollen, die ihre Köpfe munter weiter in den Sand – oder besser: in den Schnee – stecken und einfach so tun, als sei immer noch alles wie immer, als gäbe es keine Klimaerwärmung, als seien all die Wissenschaftler Deppen, und für ihre schauerlichen Prognosen über schwindende Winter von Surfbrett- und Bademode-Lobbyisten engagiert und bezahlt worden; als sei überhaupt die Klimaerwärmung nichts weiter als eine Verschwörungstheorie, von Leuten, die Skifahrern, Winterfetischisten und ihren Visionen vom ewigen Weiß und immerwährender Brettlgaudi den Garaus machen wollen.

Ha!, heißt’s also zum Beispiel bei den Es-gibt-gar-keine-Klimaerwärmung-Lobbyisten, da seht ihr es, da habt ihr’s nun, frohlocken sie, die Skipisten- und Seilbahnbau-Optimisten, so sieht sie also aus, eure Klima-Erwärmung, heute gar mit einem halben Meter.

Solche Reden scheuchen natürlich meine kleinen grauen Zellen aus ihrem Tiefschlaf, ich kann sie nicht davon abhalten, was soll ich tun, und so fange ich an zu grübeln, das geht ja nebenher, beim Schneeschaufeln. Als erstes fällt mir dann ein, dass heute der letzte Tag des Januar ist, und das bedeutet, dass wir hier im Mittelgebirge (aber um Winter oder Nicht-Winter im Mittelgebirge geht’s ja…) auf den ersten richtigen Schneefall bis zwei Tage vor Lichtmess warten mussten. Ab Lichtmess wiederum, das weiß man, sind die Tage schon merklich länger, und sowieso hat im Februar die Sonne schon sehr viel Kraft, und leckt das weiße Zeug weg, dass es nur so eine Freude ist. Diese elende Schaufelei-Schinderei, fällt mir gerade ein, hätte ich mir also eigentlich sparen können. Einerseits. Andererseits ist leider gar nicht so sicher, dass sich die Sonne in den nächsten paar Wochen nochmal zeigen wird – sie ist ein rarer Gast geworden, bei uns, ob wegen der Klimaerwärmung oder nicht, das wüsste ich nicht zu sagen.

In welchem Zusammenhang mir auch schon die britischen Verhältnisse einfallen, die wir im Dezember hatten, mit Regen und Nebel (Nebel! im Dezember! in den Bergen!), und das Stichwort „grau“ lässt mich den nassen Matsch bemerken, der sich unter dem Neuschnee breit macht – ich schließe daraus, dass unsere Böden (noch einmal: Ende Januar!), auf 1100 Metern Meereshöhe, noch nicht gefroren sind, im laufenden Winter, der ja übrigens in etwas mehr als einem Monat schon wieder vorbei sein soll, laut Kalender. Spannende Voraussetzungen, für neue Pisten und neue Skigebiete, und kein Wunder, dass unsere Berge zerbröseln, selbst im Winter.

Denn Januar, erinnern wir uns, das war bei uns einmal – lang ist’s her – gleich bedeutend mit „kalt, kristallklar, trocken“. Also doch, Klimawandel? Aber anders, vielleicht, als wir uns den vorstellen – nämlich so, zum Beispiel?: „Es gibt dann keine weißen Weihnachten mehr, sondern die optimalen Skitage treten eher im März und April auf“, sagt Schmude. Der Grund ist eine andere Niederschlagsverteilung – insgesamt gibt es weniger Niederschläge und besonders im Dezember wird es eher regnen als schneien – und ein späteres Auftreten von Frosttagen während der Skisaison.“

In dem Falle sollten wir uns vielleicht Strategien überlegen, wie wir wintermüde Menschen dazu animieren könnten, an Ostern nicht „ins Warme“ und gen Frühling, sondern in den Skiurlaub zu fahren, dann zumal, wenn wir zusätzliche Anlagen planen, bauen und sie auch auslasten wollen. Möchte man meinen.

Derweil ich aber immer noch gegen den schweren, nassen Januar-Schnee auf meinem Parkplatz ankämpfe und weiter grüble, fällt mir ein: Ja, wenn das so ist, wie die Seilbahn- und Pistenbau-Freaks behaupten, dass wir nämlich überhaupt keine Klimaerwärmung haben, weil’s ja schließlich schneit wie verrückt und sogar schon zum sechsten Mal in diesem Winter, weshalb wir also munter weiter auf Wintersport setzen und ihn sogar ausbauen dürfen, und zu diesem Zwecke sogar gänzlich unerschlossene Berge mit neuen Pisten und Seilbahnen überziehen, also wenn das alles so ist, wie uns man uns im Namen der Wirtschaft glaubhaft machen will,

ja dann, frage ich mich, warum funktioniert dann eigentlich unser Marinzenlift nicht, schon seit vielen Jahren, im Winter? Warum können wir dort nicht Ski fahren? Und wo ist der Guns-Lift? Und warum zerbrechen unsere Berge, sogar im Winter? Wo sind die Rodelbahnen? Und wozu brauchen wir all die vielen Schneekanonen überhaupt? Und die enormen Wasser-Speicherbecken, für die Fütterung dieser vielen Schneekanonen? 

Ich weiß es ja nicht, ich frage (mich) halt, weil ich finde, wer sich anmaßt, unser aller Zukunft möglicherweise mit überaus schweren Hypotheken zu belasten, der sollte Antworten parat haben, auf all diese Fragen, und nicht so tun, als lebten wir heute immer noch in der Welt von vor-vorgestern, und auf dieser Basis, reinem Wunschdenken nämlich, von „Zukunft“ sprechen. DAS allerdings nenne ich „Vision“ – nämlich den Trugschluss, unsere Welt habe sich kein bisschen verändert, und wir brauchten nur weitermachen wie bisher – und zwar bloß, weil in einem oder auch zwei oder drei Wintern wieder mal ein bisschen oder auch ein bisschen mehr Schnee fällt, hierzulande.

Es gibt aber zwei Erklärungsmuster für die „Wiederkehr“ des Winters in den letzten Jahren. Einige Klimaforscher sagen: Es liegt am starken Rückgang des Eises in der Arktis, wodurch Wetterlagen verstärkt werden, die kalte Strömungen vom Norden nach Mitteleuropa bringen. Bei noch stärkerer Erwärmung der Arktis und nahezu komplettem Eisverlust würde dieses Phänomen allerdings wieder verschwinden. Dann würden die europäischen Winter deutlich wärmer. Die andere Gruppe führt die kalten Phasen in Europa und Nordamerika auf Veränderungen in den Strömungen in der Stratosphäre zurück. Meine Hypothese ist: Ursache ist das ganz normale Chaos im Wetter.

Wir sollten also, finde ich, dieser Jubel-Wirtschaft mit ihren Scheuklappen ein bisschen genauer auf die Finger schauen, denn es ist ja, wenn wir’s genau betrachten, just diese „Wirtschaft“ für die aktuelle und noch ein paar Krisen mehr verantwortlich, und dazu für sehr viel Zerstörung, für sehr viel Leid, und für immense wirtschaftliche Verluste. Doch, wir sollten schon gründlich geklärt haben, welche Wirtschaft wir eigentlich wollen, bevor wir uns der nächstbesten, ziemlich abgewrackten, ausgelaugten und keinesfalls zukunftsfähigen Wirtschaft an den Hals oder in den Rachen werfen.

Ah ja – jetzt regnet es.

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