Neulich hatte ich im Radio gehört, dass es einen „Spruch des Jahres“ gibt, und dass für 2013 dieser hier dazu erkoren wurde: „Ich wähle NSA – die interessieren sich wenigstens für mich“. Ja, der beißt, und ich amüsiere mich immer noch darüber. Im allgemeinen aber finde ich die Unzahl der „Best of“, mit denen wir immer dann zugemüllt werden, wenn ein Jahr zu Ende geht, selten sonderlich spannend.

In diesem Jahr ist das für mich ein bisschen anders, woran zwei Faktoren maßgeblich beteiligt sind: Zum einen wie gesagt die Erkenntnis, dass es einen Spruch des Jahres gibt, zum anderen der Papst. Wenn mich nämlich jemand fragen würde, welcher mein Spruch des Jahres ist, dann würde ich den über die NSA ohne zu zögern an die zweite Stelle rücken, und diesen hier nennen:

Who am I to judge?

Also sprach der aktuelle Papst Franziskus, schon vor einem Weilchen, ich glaube, es war noch Sommer, und er sagte diese machtvollen fünf Worte in einem ganz bestimmten Zusammenhang (dem mit homosexuellen Priestern), insofern also bei genauerem Hinschauen der Ausspruch – leider – ein bisschen seiner machtvollen weil so kompromisslosen Wirkung einbüßt; ich möchte mich davon aber nicht irritieren lassen, sondern die Worte schlicht und einfach so nehmen, wie der Papst sie in die Welt gesetzt hat, und ja, ich glaube, in diesem Falle ist es sogar mehr als legitim, wenn einmal ein Satz aus seinem Kontext gerissen wird.

Man stelle sich nur einmal vor: Da ist ein Papst, der Mensch also, von dem gesagt wird, er sei der höchste Stellvertreter Gottes (!) auf Erden – und dieser Mensch nun meint, er habe nicht das Recht, sich ein Urteil anzumaßen über andere Menschen. Na, frage ich mich – wenn nicht er, wer dann? Und man stelle sich nur einmal weiter vor, was wohl passieren würde, wenn die 1,214 Millionen als „Katholiken“ registrierten Menschen zusammen mit ihrem Papst aufhören würden, sich Urteile anzumaßen über andere Menschen:

Es würde wahrscheinlich recht friedlich werden auf Erden.

Ja, und vermutlich von diesem Papst-Sager ausgehend habe mir überlegt, dass es wohl ziemlich „normal“ ist, wenn ein Mensch sich über andere Menschen eine Meinung bildet oder ein Bild macht, und zwar BEVOR genügend Fakten zur Hand sind, die ein wie auch immer geartetes Urteil erlauben würden. Das, denke ich, muss allen zugestanden werden. Schwierig wird’s halt, wenn man sich anmaßt, mit dieser Meinung auch unbedingt recht zu haben, und davon ausgeht, dass sie eben mehr ist als nur die eigene Meinung, die als solche ja stets durchaus sehr viel Potential hat, sehr falsch zu sein.

Ich würde also Who am I to judge? zum Spruch des Jahres küren, und fände es auch recht positiv, wenn etwa 1,2 Milliarden Menschen für einmal päpstlicher wären als der Papst.