Von Privilegien und Diskriminierung

Und wieder einmal steht „die Glaubwürdigkeit“ auf dem Spiel, und einmal mehr übt sich unsere Nachrücker-Politiker-Generation in Schadensbegrenzung und darin, „das Vertrauen der Bevölkerung“ wieder zu gewinnen. Wenn die bloß auch mal zum Arbeiten kommen, denke ich mir, und dazu, Dinge voran zu treiben und „Veränderung“ herbei zu arbeiten, die, die sie so oft beschworen hatten, als noch Wahlkampf war und alles möglich schien. 

Derweil hat die Realität uns eingeholt, um einen Hauch zu spät, aber immerhin, die Hoffnungsträger und uns alle, und sie kommt daher als eiskalte Dusche. Das Volk ist empört und die Hoffnungsträger unvorbereitet, und also tun sie verständnisvoll, versuchen, die Wogen zu glätten, indem sie sich in rhetorischen Floskeleien und Verwässerungs- bis Hinhaltetaktiken ergehen, was aber wohl nicht (mehr) reichen wird, denn das Maß scheint übervoll. Die Bevölkerung erhebt – völlig zu recht – Anspruch auf Satisfaktion; wird die nicht gewährt, ist das Versprechen auf Erneuerung eine leere Worthülse, und Scheitern Programm.

An dieser Rentengeschichte also wird sich zeigen, ob unsere Politiker, die neuen und die alten, die, die weiter machen oder das Ruder übernommen haben, „auf der Höhe“ sind. Bisher schaut’s nicht danach aus. Der Obmann der SVP und Regierungspartei zeigt sein Format überdeutlich, indem er zwar in Radiosendungen seinen Kopf hinhält und sich der „Menge stellt“, dieser aber nichts zu bieten hat als leere Rhetorik- und Konfliktmanagement-Floskeln, mit einem großen „Nichts“ am Ende und unter dem Strich.  Bürgernähe sieht aber anders aus, und „Demut“ erschöpft sich nicht darin, die Aufgebrachten per Standardsager zu beruhigen, und dann ein großes leeres Nichts hinterher zu schieben. Rückgrat, Stehvermögen, klare Worte und verbindliche Aussagen mit ein wenig Sinn und Gespür für gerechte und demokratische Verhältnisse wären schon angebrachter.

Der frisch gekürte Landeshauptmann und die anderen „Jungen“ übten sich, ein bisschen feige, wenn man genau hinschaut, erst einmal darin, sich von dem Sumpf und denen, die bis zum Hals darin stecken, zu distanzieren, mit wenig landeshauptmännischen Sagern wie „das geht uns nichts an, das betrifft uns nicht, wir haben damit nichts zu tun“. Schon komisch, dass niemand etwas sagte, aber manchmal denke ich mir, es ist mit unserem neuen Landeshauptmann Kompatscher ein bisschen so wie mit dem Renzi auf Staatsebene: L’ultima spiaggia, und wenn die keine Landemöglichkeit bietet, dann sieht’s düster aus. Da verschließen wir doch lieber noch ein Weilchen die Augen. Ich finde halt, ein Landeshauptmann ist ein Landeshauptmann ist ein Landeshauptmann, und zwar immer und überall, auch oder ganz besonders dort, wo’s ungemütlich ist.

Später dann, als sich unmissverständlich zeigte, dass dieser Rentenkelch an den hohen Herren und Damen nicht vorüber gehen würde, schlug sich unser aller Arno denn doch auf die Seite des Volkes, indem er erklärte, dass er (erst) „grantig“ und später (als der Volkszorn nicht ab-, sondern stetig zunahm) gar „zornig“ sei. (Wie nett von ihm.) Ja, und zu allem Überfluss rauschte dann gestern auch noch die Meldung durch den Äther, (auch) Arno Kompatscher habe  die Avaaz-Petition unterschrieben, die innerhalb von wenigen Stunden an die 12.000 Stimmen sammeln konnte.

Eigentlich mag ich das gar nicht glauben, denn es wäre ultimativ peinlich, und zeugte allenfalls von Hilflosigkeit, wohl auch falsch verstandener Bürgernähe und davon, dass Arno Kompatscher noch längst nicht in den Schuhen eines Landeshauptmannes angekommen ist. Ein Landeshauptmann unterschreibt keine Petitionen, und schon gar nicht solche, die in letzter Konsequenz an ihn selbst und gegen Mitglieder seiner Regierungspartei gerichtet sind; ein Landeshauptmann jammert und klagt nicht, und es interessiert keine Menschenseele, ob oder dass er mal grantig und ein ander Mal zornig ist. Ein Landeshauptmann, der zudem auch noch Hoffnungsträger ist, laviert nicht endlos durch die Gegend, verweist nicht auf seine „Rechtsabteilung, die nun überprüfen müsse“, und ein Landeshauptmann erlaubt sich keine  schwammigen Formulierungen à la „wir werden eingreifen“.

Ein Landeshauptmann ist der erste Bürger eines Landes, und zwar auch dann, wenn es nicht darum geht, sich zu inszenieren, sondern darum, Suppen auszulöffeln, die andere ihm, sehr viel mehr aber uns, den Bürgern, eingebrockt haben. Und tatsächlich geht es in dieser Sache kein bisschen um ihn, den Landeshauptmann, sondern nur und ausschließlich um uns die Bürger, deren erster Vertreter er ist. Und es geht auch nicht um floskelhafte „(falsche) Signale, die ausgesandt werden“, sondern darum, dass  nicht die (ausgesandten) Signale, sondern die ganze Sache: falsch ist. Und es geht nicht darum, dass „die(se) Zahlen der Bevölkerung nicht vermittelt werden können, dass die Bevölkerung das nicht versteht“, denn der Spieß muss andersrum betrachtet werden: Es geht nur darum, der anderen Seite, also den betroffenen oder betreffenden Politikern zu vermitteln und verständlich zu machen, dass sie im Unrecht sind.

Denn es gibt nichts, und sei es  noch so sehr „Gesetz“ und „rechtlich in Ordnung“, was Privilegien rechtfertigen würde. Privilegien gehören in die Zeit und die Umgebung von „Monarchen“, gekrönten und selbst ernannten – aber keineswegs in eine Demokratie und noch viel weniger in eine Demokratie des dritten Jahrtausends. Wikipedia beschreibt das sehr schön:

Im Sinne der Gleichberechtigung aller Menschen werden Privilegien kritischer gesehen. Birgit Rommelspacher definiert Privilegierung als Gegenspieler der Diskriminierung: Diskriminierung erzeuge Privilegierung, Privilegierung erzeuge Diskriminierung.

Und daran wird sich unser neuer Landeshauptmann und seine Regierung messen lassen müssen, daran, wie er diesen „worst case“ jetzt händelt, daran, ob und wie er im imstande sein wird, seinen Politikerkollegen zu vermitteln, was er ihnen zu vermitteln hat – nämlich, dass ihnen nicht zusteht, was sie beanspruchen. Daran, an seinen Taten und nicht an seinen Ausflüchten, wird sich zeigen, ob er zu Recht „auserwählt“ und zum „Hoffnungsträger“ gekürt wurde.

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