Kann eine machtvolle Mehrheit von einer (schwächeren) Minderheit diskriminiert werden? Natürlich nicht.
Sie lassen und lassen mir keine Ruhe, die „Reaktionen“ auf diesen meinen Beitrag auf www.salto.bz. Denn was ich darin erahne, und zu erkennen glaube, ist ein grundlegendes Problem im Verhältnis zwischen den Geschlechtern und jedenfalls ein machtvoller Stolperstein für Frauen auf ihrem Weg nach vorn.
Unmittelbar fällt auf: Was ich mit jenem Text sagen wollte, seine (meine) Botschaft, die jedenfalls und nachweislich auch von männlichen Gemütern vernehmbar ist (wenn sie denn vernommen werden will), wurde (präventiv?) unter einem wüsten Haufen Beschimpfungen, Unterstellungen, Behauptungen und Vorwürfen begraben. Bis nichts oder nur sehr wenig übrig blieb von ihr ,und das eigentliche Thema gar nicht erst zur Sprache kommen konnte. Ich weiß nicht, ob das „Strategie“ ist oder einfach nur eine Art der „Selbstverteidigung“. Aber ich weiß, dass es nicht richtig und vor allem nicht zielführend ist.
Denn die Botschaft meines Textes mag unbequem sein, sie ist nichtsdestotrotz völlig korrekt und absolut legitim: „Frauenparkplätze“ (und andere „Angst-Räume“) sind Fakt, genauso wie es die „Sicherheitstipps für Gitschn“ sind, wie es Pfefferspray und Selbstverteidigungskurse sind, und wie es zahllose „Sicherheitsrisiken“ sind, denen Mädchen und Frauen permanent ausgesetzt sind. Und zwar nicht, wohlgemerkt, weil sie das Risiko und/oder die Gefahr suchen würden – nein, diese Gefahren *sind* aus dem einzigen Grund, dass die Gefährdeten weiblich sind. Diese „nimm dich in Acht“-Botschaft begleitet weibliche Menschen ihr Leben lang, wie ein ständiges Summen im Ohr: Kaum wahrnehmbar, aber immer und überall dabei. Es ist also klar: Gewalt ist kein „Menschenproblem“. Gewalt ist ein Männerproblem.
Wiewohl es völlig logisch und korrekt ist, dass z. B. die Teilnehmerinnen an einer Wüstenrallye, einer Himalaya-Trekking-Tour, einem Fallschirmsprung oder einem Tiefsee-Tauchgang über Gefahren und Sicherheitsrisiken aufgeklärt werden, ist es doch völlig unlogisch und rational nicht erklärbar, dass Mädchen und Frauen „über Sicherheitsrisiken“ aufgeklärt, gewarnt und beschützt werden müssen – in Parkhäusern und für den Nachhauseweg, um beim Beispiel zu bleiben. Es ist völlig unlogisch und eigentlich undenkbar, dass sie allenthalben und überall an die „alltäglichen“ und allgegenwärtigen Risiken ihres alltäglichen Daseins als weibliches Wesen erinnert werden müssen. Und so lange, wie es Männer gibt, die die schwer wiegende Problematik dieser Tatsache nicht anerkennen (wollen) und sie strikt leugnen, so lange wird das Problem fortbestehen (können).
Ich hege sogar die Befürchtung, dass Frauen mithilfe des permanenten, „gewaltigen“ Summens in ihrem Ohr – hab Angst! – gewissermaßen „klein“ gehalten werden (sollen). Nur so eine Idee.
Wie sang doch Cat Stevens einst? Oh Baby Baby it’s a wild world. Er sprach nicht zu seinem Sohn.
Nachdem ich also meinen Text online gestellt hatte, und nachdem er von jenen Kommentaren “erschlagen” worden war – denn es ist bedrückend, wirklich bedrückend, dass keiner der “Kombattanten” auf die Aussagen von J. Katz und/oder J. Meagher eingingen, auch nicht ansatzweise, mit keiner Silbe – las ich in einem taz-Text diesen Satz der Frauenrechtlerin Monika Hauser von Medica Mondiale. Sie sagt: „Das patriarchale Denken setzt fest, dass der Körper der Frau oder des Mädchens ausschließlich den Männern gehört.“ Ich weiß nicht, ob dieser der Kern des Problems ist, aber es ist wohl auch nicht auszuschließen. Es könnte gar sein, dass in diesen schlichten Worten die Fragen, die Katz und Meagher sich und der aufgeschlossenen Menschheit stellen, zusammengefasst sind: Was Monika Hauser „Das patriarchale Denken“ nennt, ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch heute noch das Fundament unserer Gesellschaft, auch wenn es hie und da Risse aufweist und an den Rändern zu bröckeln beginnt. Als Fundament aber ist es nach wie vor intakt.
Nun aber noch einmal zurück zu meinem Text und die in meinen Augen „signifikantesten“ Kommentare und Aussagen dazu, denn sie sind bezeichnend, nicht nur für die Denkart eines offensichtlichen Großteils der männlichen Hälfte unserer Gesellschaft (und gar der „Gebildeten). Den Titel, ja, den hatte ich bewusst ein bisschen provokant gewählt, eine Anspielung – zugegeben – an all die vielen Separtisten und Sezessionisten, die sich tummeln, auf Salto.bz; alles andere sind schlicht persönliche Beobachtungen und Überlegungen – für welch letztere ich allerdings kompetente Bestätigung fand, in den Personen und Aussagen von A. Katz und J. Meagher. Die beiden veranlassten mich überhaupt erst, den Beitrag zu verfassen. Wie gesagt: Keiner der „kritischen“ User ist auch nur mit einer einzigen Silbe auf die Erfahrungen und Botschaften seiner Geschlechtsgenossen (!) eingegangen, sondern hat es vorgezogen, meine tatsächlichen und eingebildeten Fehler und Fehltritte an den Haaren herbei zu ziehen, um den Rest des Textes darunter zu begraben.
Was mich aber am nachhaltigsten faszinierte an besagten Reaktionen ist die Tatsache, dass sie durchwegs halt- und substanzlos erscheinen, sobald der Mechanismus durchschaut ist: Wie zur Bestätigung meiner Beobachtung, dass manN mithilfe einer Art Umkehrung der Verhältnisse von sich selbst, von eigenen Schwächen, Fehlern und Unzulänglichkeiten abzulenken versucht, „die Schuld“ abschiebt und sie anderen, meist Schwächeren und also gern Frauen, aufhalst – um „selbst ungeprüft weiter gehen“ zu können. Ja, das ist eine Beobachtung, die ich gemacht habe – nicht mehr und nicht weniger, aber immerhin habe ich sie oft genug gemacht, um eine gewisse Regelmäßigkeit feststellen zu können.
2. Ist es denn also „pauschalisierend“, wenn ich sage, Männer verhalten sich so? Natürlich ist es das. Andererseits – wenn ich so lange „um den heißen Brei“ herum reden muss, dass sich am Ende nur die von meiner Aussage be- bzw. getroffen fühlen, die ich meine, dann schreibe ich meinen Text und meine Botschaft tot. Denn natürlich ist klar, dass nicht jeder Mann sich so verhält – aber jedenfalls, so meine Beobachtung, nur Mitglieder der Gattung Mann. Und überdies sind die, vor denen „Frauenparkplätze“ und „Sicherheitstipps für Gitschn“ warnen, und die, bei denen ich meine Beobachtungen gemacht habe, nun einmal „Männer“, und keineswegs eine klar definierte oder auch nur definierbare „Zielgruppe“ im Sinne innerhalb dieser Spezies.
Im Übrigen gibt es, wie ich schon einmal sagte, großflächige Sensibilisierungskampagnen gegen Auto- und Motorrad-Raser, gegen Alkoholismus, gegen Gewalt im Alter: Alle diese Kampagnen „pauschalisieren“ in einem gewissen Sinne, und jedenfalls differenzieren sie kein bisschen. Dennoch würde niemandem einfallen, sich davon pauschal angegriffen zu fühlen.
3. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Anschuldigung, ich „diskriminiere“: Ich kann nicht nachvollziehen, auch beim allerbesten Willen nicht und trotz redlicher Bemühungen, wie es möglich sein soll, aus einer „schwachen“ (Frau) Position heraus, und zwar so sehr, dass sie in der allgemeinen Wahrnehmung (immer noch) eine „Minderheit“ ist, die „starke“ Hälfte der Menschheit, Inhaber der mehrheitlichen Macht, zu diskriminieren. Das geht gar nicht, es ist nicht möglich, ist im Konzept der Diskriminierung nicht vorgesehen. Diskriminiert wird IMMER eine (schwächere) Minderheit, von einer (stärkeren) Mehrheit. Auch hier werden also die „Argumente“, die Frauen in ihrem Kampf um mehr Gleichberechtigung und Gleichstellung sich erarbeitet haben und für sich beanspruchen, eins zu eins „übernommen“ und auf eine starke, mächtige männliche Mehrheit angewandt – ganz so, als gäbe es keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern und ihrem Verhältnis zu einander. Dasselbe Konzept, denselben Grundgedanken erahne ich in jenem Muster – denn ja, es ist ein solches, insofern es sich wiederholt -, demzufolge Männer in Debatten über Gewalt an Frauen gern das „Argument“ hervorkramen, dass ja schließlich auch Frauen gewalttätig seien. Ja, das sind sie. Aber es IST NICHT DASSELBE.
4. Auch „interessant“ fand ich den Sager eines Users (unter einem anderen Thread, aber bezogen auf den Text, um den es hier geht), in dem er seinen Vorwurf der „indifferenzierten Pauschalisierung“ damit untermauern wollte, dass er „gern wüsste, was ich dazu sagen würde, wenn er behauptete, jede Frau mit Mini-Rock sei eine Schl**pe“. Tatsache ist: Zwischen Mini-Rock und Schlampe besteht überhaupt kein oder allenfalls ein mut- und böswillig herbei geredeter Zusammenhang. Zwischen „Mann und Gewalt“ ist das leider anders. Ein ähnliches Missverhältnis, einen ähnlich schrillen Misston erkenne ich in dem Kommentar eines anderen Users, dem zufolge man in meinem Text „nur das Wort Mann durch das Wort Ausländer ersetzen müsse, um die Diskriminierung zu erkennen“. Das ist lächerlich – und jedenfalls mehr als „nur“ eine perfide Umkehrung der Verhältnisse: Es ist eine unerhörte Frechheit gegenüber tatsächlichen (diskriminierten und mehrfach bedrohten) Minderheiten, wenn sich die Angehörigen der mächtigsten und machtvollsten Spezies der Erde mit ihnen gleichsetzen, um für sich Vorteile daraus zu schlagen.
Irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Spezies Mann ihren „Erfolg“ und ihre Vormachtstellung allein aus ihrer körperlichen Überlegenheit heraus zieht. Darüber sollten wir vielleicht auch mal nachdenken.
och mehr zum Thema: Gewalt an Frauen? Ist Männersache.